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28.11.2004 [ Informatik - John von Neumann ]
Einleitung
Biographischer Werdegang
Der patriotische Wissenschaftler
Suche nach den Gründen
Quis custodit custodes?
Zusammenfassung
Quellen
Studienarbeit: Why not bomb them today?


Einleitung

John von NeumannJohn von Neumann 1948

John von Neumann war ein genialer Mathematiker und Computerpionier, dessen Wirken in vielen wissenschaftlichen Bereichen Spuren hinterließ. In der Einleitung seines Buches schreibt sein Biograph Norman Macrae, daß es jedoch Aspekte in John von Neumanns Leben gebe, die „stets sehr kontrovers diskutiert wurden“. Hierzu zählen die Jahre, in denen von Neumann politisch „stärker als die meisten seiner Freunde zu den Falken“ tendierte. [NM94, 11]

Diese Arbeit soll sich diesem umstrittenen politischen Wirken John von Neumanns widmen. Ausgehend von einem kurzen biographischen Werdegang wird seine Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Militär beleuchtet und sein Beitrag zur Entwicklung der Atombombe sowie seine Mitarbeit im sogenannten Target Committee dargestellt. Weiterhin wird diskutiert, welche strategischen Positionen von Neumann in der Frage der amerikanischen Verteidigungspolitik und der Entwicklung der Wasserstoffbombe einnahm. Außerdem wird sein Weg bis zum Höhepunkt seiner politischen Laufbahn aufgezeigt. Am Beispiel der sogenannten Oppenheimer-Affäre sollen von Neumanns strategische Überzeugungen deutlich werden.

Im zweiten Teil unserer Arbeit werden die möglichen Gründe für John von Neumanns politische Meinungen und Entscheidungen dargestellt. Es wird dabei von der These ausgegangen, daß John von Neumann von seiner jüdischen Herkunft beeinflußt wurde. Ausgehend von dieser Annahme wird eingangs die Situation der Juden in Europa und Ungarn erläutert, um dann die Geschichte seiner Familie näher zu beleuchten. Besonderes Augenmerk wird hier auf die kurze Periode des kommunistischen Kun-Regimes in Ungarn 1919 gelegt. Abschließend wird die politische Haltung von Neumanns mit der einiger Zeitgenossen verglichen, deren Lebensläufe Ähnlichkeiten aufweisen.

Da ausschließlich biographisches Material verwendet wurde, werden im letzten Teil einige der Schwierigkeiten und möglichen Fehler, welche die Arbeit mit derartigen Quellen mit sich bringen kann, aufgezeigt. Dazu werden hauptsächlich die Biographien Macraes [NM94] und Heims’ [SH80] hinsichtlich der Objektivität der Autoren und anderer Faktoren untersucht, welche die Darstellung des Lebens John von Neumanns beeinflußt haben könnten.


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Biographischer Werdegang

Kindheit und Studium

John von Neumann mit Bruder und Cousin

John von Neumann wurde am 28. Dezember 1903 in Budapest geboren. Sein Vater war ein jüdischer Jurist und Bankier, seine Mutter Hausfrau. Er besuchte ab 1914 das humanistische Lutheraner-Gymnasium. Seine außerordentliche mathematische Begabung wurde dort bereits erkannt und gefördert. Er galt als Wunderkind. 1921 beendete von Neumann seine Schulzeit erfolgreich und schrieb sich für das Studium des Chemieingenieurwesens in Berlin ein.

Er wechselte 1923 zur Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) nach Zürich. Zeitgleich war er Student der Mathematik an der Universität in Budapest. 1925 veröffentlichte er seine Doktorarbeit mit dem Titel „Eine Axiomatisierung der Mengenlehre“.
Im Jahr darauf erhielt er mit 22 Jahren in Budapest seinen Doktortitel in Mathematik.

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John von Neumann als Wissenschaftler in Europa

John von Neumann 1928

Nach Abschluß seines Studiums erhielt von Neumann ein Stipendium der Rockefeller-Stiftung. Dies war der erste Kontakt mit den Amerikanern. Bereits wenige Jahre darauf lernte er Amerika persönlich kennen. Seinem Interesse an der Mathematik folgend, ging von Neumann nach seinem Studium nach Göttingen zu David Hilbert, einem der berühmtesten Mathematiker in Europa. In den folgenden Jahren arbeitete er zudem als Privatdozent in Berlin und in Hamburg.

In dieser Zeit begann sich die politische Situation in Deutschland zunehmend zu verschlechtern. Ab 1933 wurden einige hundert jüdische Akademiker infolge des antisemitischen „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ von den deutschen Universitäten verwiesen. Besonders in den Fachbereichen der Physik, der Mathematik und der Medizin, in denen bis zu dieser Zeit viele jüdische Wissenschaftler gelehrt hatten, trugen die Gesetze der Nationalsozialisten zu einer Beschleunigung der bereits begonnenen Emigrationsbewegung bei.

Unter den Flüchtenden befanden sich unter anderem viele derjenigen Physiker und Mathematiker, die später den Bau der Atombombe in den USA ermöglichen sollten. Durch die kontinuierliche Emigration von Akademikern verlor Deutschland in den folgenden Jahren an wissenschaftlicher Bedeutung.
Von Neumann und sein ungarischer Schulfreund, der Physiker Eugene Wigner, mit dem er gemeinsam fünf wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht hatte, erhielten 1930 das Angebot, an der Universität Princeton in New Jersey zu lehren.

Bevor er seinen Lebensmittelpunkt in die Vereinigten Staaten verlegte, verbrachte er die Winter in Princeton und reiste im Sommer nach Europa. Mit der Machtergreifung Hitlers 1933 gab er seine Stellung in Berlin auf und zog nach New Jersey. In einem Brief an Professor Oswald Veblen, Mathematiker in Princeton, machte von Neumann im Juni desselben Jahres deutlich, was er für die Entwicklung an deutschen Universitäten durch den Einfluß der Nationalsozialisten voraussah [SH80, 166]: „[...] if these boys continue for only two more years (which is unfortunately very probable), they will ruin German science for a generation - at least.“

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Erste Jahre in Amerika

John von Neumann in Princeton

Vor Beginn des Krieges hatte sich John von Neumann durch seine Arbeiten zur Neuordnung der Gruppentheorie, die Bertrand Russell mit seinen logischen Paradoxa in Frage gestellt hatte, einen Namen in der Mathematik gemacht. Er veröffentlichte in dieser Zeit ebenso Arbeiten zur Mathematisierung der Quantenmechanik sowie eine frühe Arbeit zur Spieltheorie. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, hatte er sich bereits als eminenter Mathematiker in Europa und Amerika etabliert.

Wenige Monate nach Antritt seiner neuen Stelle am Institute for Advanced Study (IAS) in Princeton am 1. April 1933 stellte von Neumann bereits den Antrag zur Einbürgerung in die USA und entband sich von seinen Lehrverpflichtungen an der Universität Berlin.

Politisch interessiert und informiert, ahnte er bereits früh, daß es zum Krieg in Europa kommen würde [SU76, 70]: „Von Neumann expressed great pessimism about the possibility of a war in Europe. (This was about three years before the actual outbreak.) Apparently he had a rather clear picture of the catastrophes to come. [...] It was really very prophetic.“

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Der patriotische Wissenschaftler

Erste Kontakte mit dem Militär

John von Neumann - ein patriotischer Wissenschaftler

Von Neumann „fragte sich, wie er seine Kräfte [in dem von ihm vorhergesehenen Krieg] am besten für Amerika einsetzen könnte“ [NM94, 170] und entschloß sich 1937 zu einer Bewerbung als Reserveleutnant in der Artillerie der amerikanischen Armee [1] . Um die notwendigen Prüfungen zu absolvieren, prägte er sich die entsprechenden Armeehandbücher ein und erhielt hervorragende Examensnoten. Trotzdem wurde der 35-Jährige aufgrund seines Alters abgelehnt. Auch ein Protestbrief des Senators William H. Smathers an den Secretary of War, Harry H. Woodring, konnte daran nichts ändern.

Da sich von Neumann in dieser Zeit für die Mathematik der Hydrodynamik interessierte, sich mit der Lösung der damit zusammenhängenden partiellen Differentialgleichungen befaßte sowie Berechnungen zur Wirksamkeit von Explosionen anstellte, führte ihn dies zu weiteren Kontakten mit dem amerikanischen Militär. Der Verbindungsmann zur Armee war der Mathematiker und Kollege in Princeton, Oswald Veblen, der als Offizier im Ersten Weltkrieg enge Kontakte zur militärischen Forschung aufgebaut hatte. Er schlug von Neumann als Berater für die Versuchsanlage der Armee in Aberdeen Proving Ground in Maryland vor. Im September 1940 wurde John von Neumann in dem dortigen Ballistic Research Laboratory Mitglied des wissenschaftlichen Beraterstabes.


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Der Bau der Atombombe

Die Situation in der Welt und den USA

Werner Heisenberg

Seit Beginn des Krieges diskutierten amerikanische wie auch immigrierte Wissenschaftler, ob Physiker in Deutschland an der Entwicklung der Atombombe arbeiten würden. Das umstrittene Gespräch zwischen Werner Heisenberg und Niels Bohr in Kopenhagen im September 1941 wird in diesem Zusammenhang oft erörtert. Der deutsche Physiker Heisenberg arbeitete federführend am streng geheimen Uranprojekt der Nationalsozialisten.

Nach seiner Darstellung sollte es in der Unterredung zwischen den vormals befreundeten Wissenschaftlern darum gehen, ob eine internationale Kooperation in der Atomforschung möglich sei. Bohr sah Hitlerdeutschland jedoch als zu bekämpfenden Feind und zog eine Zusammenarbeit nicht in Erwägung.

Die Physiker diskutierten die Probleme der Uranspaltung und die Frage, ob man als Wissenschaftler seine Fähigkeiten in den Dienst des Krieges stellen sollte. Die Unterredung endete in einem Mißverständnis, das Heisenberg wie folgt schildert [AH76, 69]: „Bohr war über meine Antwort entsetzt und nahm offensichtlich an, ich wolle ihm zu verstehen geben, daß Deutschland auf dem Wege zur Herstellung von Atomwaffen große Fortschritte gemacht habe.“ Niels Bohr flüchtete wenig später aus Dänemark und begann, die amerikanischen Physiker bei ihrem Atom-Vorhaben zu beraten. Ende 1943 berichtete er in Amerika [DS67, 83]: „Die Deutschen wissen, daß man Atombomben machen kann.“

Besonders die Immigranten unter den Wissenschaftlern fürchteten die vermuteten deutschen Fortschritte zur Entwicklung einer Atombombe. Edward Teller, wie von Neumann ein Jude ungarischer Herkunft, schreibt [ET02, 188]: „Bohr had told us that Heisenberg was working on the German atomic bomb. [...] The thought of how far the Germans might have come in the years since the discovery of fission was enough to give us all nightmares.“

Der aus Ungarn emigrierte Physiker Leo Szilard formulierte gemeinsam mit seinen Landsmännern Eugene Wigner und Edward Teller einen Brief an den US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt. Sie teilten darin ihre Überzeugung mit, die Entwicklung der amerikanischen Atombombe solle vorangetrieben werden. Nur so könne verhindert werden, daß Hitler zuerst in ihren Besitz gelangen würde. Szilard überzeugte 1939 den damals bereits weltbekannten Physiker Albert Einstein, diesen Aufruf an den Präsidenten zu unterzeichnen.

Dieser Brief vom 2. August 1939 wurde zu einem der Ausgangspunkte für das Manhattan-Projekt zur Entwicklung der Atombombe, welches Präsident Roosevelt nach einigem Zögern am 17. Juni 1942 autorisierte. Ohne die Angst vor der Nazi-Bombe hätte es also den nuklearen Großversuch in Los Alamos in dieser Form nicht gegeben.

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Los Alamos

Los Alamos

Los Alamos liegt in der Wüste von New Mexico. Getrieben von der Furcht, Hitler und die Deutschen könnten die Atombombe vor ihnen bauen, ließen die amerikanischen Militärs die Kleinstadt in nur wenigen Wochen errichten. Ihre Erbauer wurden nicht davon unterrichtet, für welchen Zweck Laboratorien, Produktionsstätten, Wachttürme, aber auch Spitäler, Wohnhäuser und Frisiersalons entstanden.

Robert Oppenheimer, Professor der theoretischen Physik, schlug Ende 1942 das Terrain in der Wüste für den Bau der Anlagen vor. Geographisch günstig gelegen, verfügte das Gelände nur über eine einzige Zufahrtsstraße. Es war der ideale Ort für das „Manhattan Engineer District“, wie der Deckname während des Krieges lautete, und er lag nicht nur geographisch fernab der Zivilisation.

Dem Projekt wurden bereits ab September 1942 von der US-Administration die höchsten Sicherheits- und Prioritätsstufen eingeräumt. Bis 1954 blieb Los Alamos ein in sich geschlossenes Gemeinwesen, das nur mit Sondergenehmigung zu betreten war.

Das Ziel des Projektes war nicht nur der Bau der Atombombe, sondern insbesondere deren zügige Fertigstellung vor den Deutschen. Die Öffentlichkeit wie auch die lokale Bevölkerung wurden über den Zweck der errichteten Anlage im Unklaren gelassen.

Der am 15. März 1943 zum wissenschaftlichen Leiter der Laboratorien ernannte 38-jährige Robert Oppenheimer schlug im April dem militärischen Leiter von Los Alamos, Leslie R. Groves, in einem Brief vor, den bald entstandenen Gerüchten um die Versuchsanlage entgegenzuwirken [RO43]: „In accordance with our discussion of last week, I have given some thought to the question of a story about the Los Alamos Project which, if disseminated in the proper way, might serve somewhat to reduce the curiosity of the local population, and at least to delay the dissemination of the truth. We propose that it be let known that the Los Alamos Project is working on a new type of rocket and that the detail be added that this is a largely electrical device. We feel that the story will have a certain credibility.“

Zu Beginn des wissenschaftlichen Großversuches am 15. April 1943 war noch unbekannt, ob es möglich sein würde, eine Kettenreaktion zu erzeugen, welche Voraussetzung für die Explosion der Atombombe ist. Ebenfalls war die benötigte Menge an Uran 235 und Plutonium ungewiß. Das Team um Robert Oppenheimer ermittelte die kritische Masse für die kontrollierte Kettenreaktion erst kurze Zeit vor dem ersten Atomversuch.

Es gelang den Wissenschaftlern noch während der letzten Kämpfe des Zweiten Weltkrieges, genügend spaltbares Material für drei einsatzfähige Atombomben herzustellen: zwei Plutonium-Bomben und die Uran-235-Bombe, die Hiroshima zerstören sollte.

Am 16. Juli 1945 um 5.30 Uhr explodierte die erste Plutoniumbombe in Alamogordo, New Mexico. Die Welt änderte sich unwiderruflich mit diesem erfolgreich verlaufenden Test.

Nach nur zwei Jahren und drei Monaten seit Beginn der Arbeiten im Waffenlaboratorium von Los Alamos und gut zwei Monate nach der Kapitulation Deutschlands übertraf die Explosion die kühnsten Erwartungen der Physiker und Mathematiker. Der nunmehr zum General ernannte Leslie R. Groves schrieb in seinem umfassenden Bericht an den Secretary of War, Henry Stimson, am 18. Juli über diesen sogenannten Trinity-Test [LG45]: „For the first time in history there was a nuclear explosion. And what an explosion! [...] The test was successful beyond the most optimistic expectations of anyone.“ Er bemerkte später, das Manhattan-Projekt sei die größte wissenschaftliche und technische Anstrengung aller Zeiten gewesen. Zu den Männern, die entscheidend zu diesem Erfolg beigetragen hatten, gehörte John von Neumann.

Los Alamos markiert den Beginn des Atomwaffenzeitalters. Der Direktor der Versuchsanlagen, Robert Oppenheimer, sagte 1945, zwei Monate nach dem Abwurf der Atombomben über Japan, die Menschheit werde diese Stadt verfluchen. Das Projekt wurde als voller Erfolg betrachtet. Das amerikanische Kriegsministerium schrieb in einem späteren Bericht, der durchgeführte Atombombentest sei der „Übertritt der Menschheit in ein neues Zeitalter“ [DI69, 108].

Als der Trinity-Test 1945 durchgeführt wurde, war Hitlerdeutschland bereits geschlagen und stellte keine atomare Bedrohung mehr dar. Die britischen Verbündeten der Amerikaner hatten bereits seit Sommer 1943 darauf hingewiesen, daß Hitler keine Atombombe zu bauen imstande war. Der britische Chief Scientific Advisor on Nuclear Matters, Michael Perrin, teilte General Groves diese Auffassung mit. Dieser entgegnete aber [JS94]: „Well, you may be right, but I don’t believe you.“ Selbst nach der Auswertung der Papiere des deutschen Physikers Carl Friedrich von Weizsäcker im Jahr 1944, die ergab, daß Hitlerdeutschland keinesfalls zur Atommacht würde aufsteigen können, konterte Groves [JS94]: „Unless and until we had positive knowledge to the contrary, we had to assume that the most competent German scientists and engineers were working on an atomic program with full support of their government and with the full capacity of German industry at their disposal.“

Auch ohne die Bedrohung durch deutsche Atomwaffen wollten die Amerikaner an der weiteren Entwicklung der Bombe festhalten. Der Historiker Martin J. Sherwin stellte in seinem Buch „A World Destroyed“ fest [JS94]: „The race for the bomb had already changed from a race against German scientist to a race against the war itself.“

Einige Jahre darauf sollte sich herausstellen, daß General Groves bereits früh die Sowjetunion zu den Feinden der Vereinigten Staaten zählte. Er gab 1954 anläßlich der Sicherheitsanhörung von Oppenheimer zu Protokoll [BE86, 116]: „Seit dem Zeitpunkt, da ich etwa zwei Wochen mit der Leitung dieses Projektes betraut war, habe ich nie irgendwelche Illusionen darüber gehabt, daß Rußland unser Feind war und daß das Projekt auf dieser Grundlage durchgeführt wurde.“ Diese strategische Sicht teilte von Neumann.

Wurden die Wissenschaftler in Los Alamos über den Zweck des Atombombenbaus getäuscht, gab man ihnen eine falsche Motivation? Zumindest einige der beteiligten Wissenschaftler fühlten sich hintergangen. Einstein sagte später im Zusammenhang mit dem von ihm unterzeichneten Brief an Roosevelt [RJ80, 87]: „If I had known that the Germans would not succeed in constructing the atom bomb, I would never have lifted a finger.“

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John von Neumanns Beitrag
John von Neumann 1946

Da die nukleare Forschung weitgehend in den Händen von Physikern lag, war John von Neumann nicht von Anfang an involviert. Er kam auf Einladung von Oppenheimer erst im September 1943 als beratender Mathematiker zum Manhattan-Projekt. Aufgrund seiner Erfahrungen mit Schockwellengleichungen reiste er regelmäßig nach Los Alamos, um seine Kollegen in schwierigen mathematischen Fragen zu unterstützen.

Er trug entscheidend zum Erfolg des gesamten Projektes bei. Gemeinsam mit Edward Teller empfahl er die Implosionsmethode und beteiligte sich an der Entwicklung der sogenannten Implosionslinse für die Nagasaki-Bombe. Die Berechnungen für diese auf Plutonium basierende Waffe galten als extrem schwierig. Von Neumann war derjenige, der vorschlug, Computer für die umfangreichen Kalkulationen zu nutzen. „[Von Neumann] began persuading us to use computers, pointing out the usefulness that computers would have in our calculations“, schreibt Edward Teller [ET02, 176]. So wurden im Frühjahr 1944 IBM-Rechner in Los Alamos installiert. Die Mathematiker nutzten diese insbesondere für numerische Berechnungen zur Entwicklung der Implosionsmethode.

Durch von Neumanns Arbeit an der Mathematisierung der Simulationsmodelle der Atombombe war er vertraut mit der Materie und konnte ihre Zerstörungskraft ungefähr abschätzen.

Er stellte nach dem Trinity-Test die Berechnungen dazu an, welche Explosionshöhe der Bombe am geeignetsten sein würde, um größtmögliche Zerstörungen zu hinterlassen.

Durch die Mathematisierung der Modelle und den Entwurf der Implosionslinse trug John von Neumann entscheidend zur Entstehung der nun erfolgreich getesteten Massenvernichtungswaffe bei.

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Der Abwurf der Atombombe

Das Target Committee
Die Trinity-Bombe

Der Abwurf der Bombe war für von Neumann nicht mit moralischen Konflikten verknüpft, sondern basierte allein auf politischen und strategischen Erwägungen. Er war im sogenannten Target Committee aktiv daran beteiligt, die in Frage kommenden japanischen Ziele auszuwählen. Seine Mitarbeit in diesem Komitee zeigt, daß von Neumann sich über die ungeheure Zerstörungskraft im Klaren war und einen Einsatz von beiden Bomben gegen dicht bevölkerte Gebiete befürwortete.

Im Target Committee waren neben der US-Regierung, der Air Force und den Geheimdiensten auch einige Wissenschaftler aus Los Alamos vertreten. Zu den Teilnehmern gehörten Leslie Groves und Robert Oppenheimer sowie, als Leiter der mathematischen Abteilung, John von Neumann. Zur abschließenden Diskussion über die in Frage kommenden feindlichen Zielorte kam das Komitee im Mai 1945 mehrfach zusammen. Der Geheimdienst hatte als Ziele große japanische Fabriken vorgeschlagen und damit „das Ausmaß der Zerstörungskraft [der Bombe] unterschätzt, die man sinnvollerweise gegen ganze Städte statt einzelne Fabriken einsetzen sollte“, wie Norman Macrae [NM94, 213] schreibt.

Ähnlicher Ansicht war auch von Neumann, der die Liste befürwortete, welche die Air Force vorgelegt hatte.

Auf dieser Liste befanden sich nun sechs von ursprünglich siebzehn potentiellen Zielen: Kyoto, Hiroshima, Yokohama, der Kaiserpalast in Tokio, die Waffenfabriken von Kokura sowie die Raffinerien und der Verladehafen von Niigata auf Honshu.

Von Neumann unterstützte eine Entscheidung für Kyoto, für die Japaner eine heilige religiöse Stadt. Er war durch ein Memorandum der Air Force von der Eignung Kyotos als Abwurfort überzeugt worden. Den Verfassern dieses Schreibens wirft Macrae angesichts der ausschließlich rational-militärischen Erwägungen lediglich „Mangel an psychologischem Fingerspitzengefühl“ [NM94, 214] vor. Aufgrund der religiösen Bedeutung Kyotos läßt diese Aussage Zweifel an der Objektivität des Autors aufkommen.

Zwei der Ziele von der Liste der Air Force wurden aus strategischen Überlegungen verworfen. Der Kaiserpalast in Tokio wurde abgelehnt, weil vom Kaiser die Kapitulation unterzeichnet werden sollte und sich die USA mit der Bombardierung des Palastes unmöglich gemacht hätten. Kyoto wurde verworfen, weil es als frühere Hauptstadt Japans ein kulturelles und religiöses Zentrum war, in dem auch ein Großteil der intellektuellen Elite wohnte, die eine rasche Kapitulation nach dem Abwurf der Bomben schneller befürworten würde. Yokohama wurde ebenfalls von der Liste gestrichen, da es zu diesem Zeitpunkt schon zu stark zerbombt war.

Das Target Committee beschloß schließlich, Hiroshima und die Waffenfabriken in Kokura zu bombardieren, wobei für die zweite Bombe die Stadt Nagasaki als Ausweichziel angegeben wurde. Hier begann Japan gerade mit dem Bau eines neuen Hafens, der den von Yokohama ersetzen sollte.

Der Abwurf der „Little Boy“ genannten Bombe mit einer Sprengkraft äquivalent zu 12,5 Kilotonnen TNT über Hiroshima verlief planmäßig. Als wenige Tage später die zweite Bombe „Fat Man“ abgeworfen werden sollte, war die Sicht so schlecht, daß die Piloten beschlossen, das Alternativziel anzufliegen. Doch auch über Nagasaki war der Himmel stark bewölkt, so daß die Bombe durch eine sich anbietende Wolkenlücke abgeworfen wurde. Der geplante Abwurf- und Explosionspunkt wurde weit verfehlt. Die Schäden waren somit geringer als das tatsächliche Zerstörungspotential der Bombe mit einer Sprengkraft von 22 Kilotonnen TNT hatte vermuten lassen. [2] Am 14. August 1945 ergab sich Japan bedingungslos den USA.

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Die Gründe für den Abwurf
Die Atombombe

Die Amerikaner hatten die Ziele erreicht, die sie mit dem Abwurf der Atombombe angestrebt hatten. Doch welche waren das im einzelnen? Was hatte die USA dazu bewogen, solche Bomben über bewohntem Gebiet einzusetzen? Und welche dieser Gründe hatte John von Neumann bewegt, seine Arbeitskraft in den Bombenbau zu investieren?

In den Biographien über von Neumann finden sich diesbezüglich verschiedene Erklärungen. Ausgelöst wurde die Entwicklung der Bombe von der Angst, die Deutschen könnten sie eher bauen. Wie wir erläutert haben, spielte dabei das sogenannte „Heisenberg-Gespräch“ eine maßgebliche Rolle.

Für den Abwurf der Bombe führt Macrae in seinem Buch an, daß die Amerikaner hohe Verluste wie im Ersten Weltkrieg verhindern wollten. Damit folgt der Autor der These der „orthodoxen Schule“ des US-Historikerstreits. Demnach wäre der Abwurf erfolgt, um das Ende des Krieges zu beschleunigen und einen Einmarsch amerikanischer Truppen in Japan obsolet zu machen. Die japanischen Soldaten galten als Gegner, die auch in ausweglosen Situationen nicht aufgaben und bis zum Tod kämpften. Diese Eigenschaft beeinflußte die amerikanischen Militärs in ihrer Entscheidung zum Abwurf der Atombombe.

Norman Macrae liefert nur diesen einen Grund und beschäftigt sich nicht mit den weiteren, möglicherweise entscheidenden Hintergründen in den USA.

Steve Heims präsentiert im Gegensatz zu Macrae noch zwei weitere mögliche Gründe. Einer ist politischer Natur, während der andere ein Beispiel dafür ist, was eine außer Kontrolle geratene Bürokratie anrichten kann. Heims schreibt [SH80, 196]: „It is quite appropriate to view the Manhattan Project as a large bureaucracy. [...] To account for itself it needed tangible results. [...] the second bomb had to be used too because it worked on a different principle [...], whose effectiveness had to be justified.“ Er führt außerdem den Schriftsteller Richard J. Barnets aus dessen Buch „Roots of War“ an. Darin bezeichnet Barnets den Abwurf der Bombe als Entscheidung „not to stop a bureaucratic process in which more than $2 billion and four years of incredible effort had been invested.“

Der zweite, politische Grund, der von Neumann in seinen Überlegungen ebenfalls beeinflußte, ist die These, welche die „revisionistische Schule“ der amerikanischen Historiker seit dem Historikerstreit der 60er Jahre vertritt. Demnach wurden die Bomben abgeworfen, um die Sowjetunion zu beeindrucken und einzuschüchtern.

Die Japaner waren im Sommer des Jahres 1945 militärisch bereits am Ende und ihre Kapitulation nur noch eine Frage der Zeit. Die Sowjetunion hielt zu diesem Zeitpunkt den Neutralitätspakt mit Japan noch aufrecht. Die Amerikaner wollten sicherstellen, daß sich die Japaner den USA ergaben und nicht der UdSSR, da sonst ein wesentlicher Ausgangspunkt für den Einfluß der Amerikaner in Asien verloren wäre. Am 9. August, dem Tag nach dem Abwurf der Atombombe über Hiroshima, erklärte die Sowjetunion Japan den Krieg und begann, ihre Truppen in Bewegung zu setzen. Nur einen Tag darauf ergab sich der japanische Kaiser den Amerikanern.

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Der Kalte Krieg

Die politische Situation nach dem Zweiten Weltkrieg
John von Neumann 1949

Mit dem Bombenabwurf hatten die Amerikaner deutlich gemacht: Wir verfügen über die Atombombe, sind in der Lage, in kurzer Zeit weitere herzustellen, und haben keine Skrupel, sie gegen dicht besiedelte Gebiete einzusetzen. Davon erhofften sich die USA eine druckvolle Position in den Nachkriegsverhandlungen gegenüber der Sowjetunion.

Von Neumann teilte die Ansicht, daß die Sowjetunion als militärischer Gegner angesehen werden sollte: „We where involved in a triangular war, where two of our enemies had done [...] the nice thing of fighting each other“, wird er von Steve Heims zitiert [SH80, 232]. Für John von Neumann war klar, daß es bald nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer militärischen Auseinandersetzung mit der UdSSR kommen würde [RR96, 356]: „Russia was traditionally the enemy. I think you will find, generally speaking, among Hungarians an emotional fear and dislike of Russia“. Aufgrund dieser politischen Ansichten nahm er den Einsatz der Atombombe nicht nur als notwendiges Übel hin, sondern unterstützte die militärischen Bemühungen durch seine Mitarbeit an der Bombe und im Target Committee aktiv.

Von Neumanns politische Motive beinhalteten darüber hinaus die Idee eines atomaren Präventivkrieges gegen die Sowjetunion. Freeman J. Dyson schreibt über von Neumanns politische Überlegungen in seiner Besprechung des Buches von Steve Heims [FD81, 17]: „Da ist also die Tatsache, daß von Neumann in den späten 1940er und frühen 1950er für einen Präventivkrieg gegen die Sowjetunion eintrat. Der Ausdruck ‘Präventivkrieg’ vermittelt heutzutage die Vorstellung eines übergeschnappten Militarismus.“ Jedoch war diese Idee eines Präventivkrieges unter Intellektuellen verbreitet. Es herrschte die Auffassung, daß die Weigerung der Franzosen und Engländer, die Remilitarisierung des Rheinlandes durch Hitler zu verhindern, die Toten des Zweiten Weltkrieges mitverschuldet hätte. Ein entschlossenes, vorbeugendes Vorgehen gegen eine Katastrophe zu propagieren, war also in den Augen vieler Zeitgenossen eine moralisch vertretbare Option.

Brian Easlea schreibt in seinem Buch andererseits [BE86, 231]: „Von Neumanns Idee eines atomaren Überraschungsangriffs auf die Sowjetunion, der einen potentiellen künftigen Atomkrieg zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten verhindern sollte, kommt meines Erachtens der Beschreibung ‘verrückt’ und/oder ‘verbrecherisch’ recht nahe. Wie die nukleare Vernichtung eines Landes und seiner Bevölkerung jemals als ‘entschlossenes Vorbeugen’ gerechtfertigt werden kann, leuchtet mir nicht ein.“

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Raketenbau
John von Neumann mit Ehefrau und Hund "Inverse"

Mit dem Beginn des Kalten Krieges sollten gegenüber dem Erzfeind Rußland die defensiven Verteidigungsmöglichkeiten der USA gestärkt werden. Anfang der fünfziger Jahre beschloß die amerikanische Führung zudem, die Entwicklung strategischer Langstreckenraketen zu forcieren. Für diesen Zweck sollten beratende Komitees gegründet werden.

John von Neumann spielte als weitsichtiger Stratege eine Schlüsselrolle in diesen Gremien. Bereits kurz nach Ende des Krieges hatte von Neumann begonnen, die Sowjetunion und deren Waffenlaboratorien als Bedrohung wahrzunehmen. Stanislaw Ulam, ein enger Freund von Neumanns, erinnert sich [SU76, 188]: „Johnny and others were apprehensive about Russia’s ability to obtain or to develop nuclear bombs.“ Obgleich Ulam zugibt, daß die politische Unterscheidung zwischen „Falken“ und „Tauben“ noch nicht gebräuchlich war, schreibt er über von Neumann [SU76, 188-189]: „He was quite hawkish at that time [...] he was for a Pax Americana more than some of our other physicist friends. He also foresaw early that the essential military problems would shift from the bombs themselves and their size and shapes to ways to deliver them - that is to say, to rocketry.“ Ab 1951 nahm John von Neumann gemeinsam mit Stanislaw Ulam, Edward Teller und George Gamow an den Treffen zum ICBM-Programm (Intercontinental Ballistic Missile) teil. Die Ergebnisse dieser Gespräche wurden zu der Zeit vom Pentagon geheimgehalten.

1953 rekrutierte Trevor Gardner, Special Assistent des Secretary of the Air Forces for Research and Development, John von Neumann für das Projekt der Air Force. Das Ziel des zu gründenden Komitees war die Evaluation des ICBM-Programms der Air Force sowie die Analyse des technologischen Fortschrittes von potientiellen Feinden, insbesondere Rußlands. Für die durch die Komiteemitglieder festgestellten Probleme sollten den amerikanischen Militärs Lösungen vorgeschlagen werden. John von Neumann wurde Vorsitzender des Air Force Strategic Missiles Evaluation Committee, welches gemeinhin als Von Neumann Committee oder Teapot Committee bekannt wurde.

Hier schlug von Neumann vor, Raketen für die Beförderung nuklearer Waffen zu nutzen. Die Mitglieder diskutierten die maximale Größe einer Wasserstoffbombe, die von einem Bomber oder einer Rakete transportiert werden könnte. Sie kamen zu dem Schluß, daß ein B-52 Bomber eine Bombe mit einer Sprengkraft von 20 Megatonnen TNT ohne weiteres befördern könne, jedoch die Nutzung von Raketen wegen ihrer Schnelligkeit und Unbemanntheit vorzuziehen sei. Von Neumann befürchtete für die späten fünfziger Jahre eine Verteidigungslücke in der amerikanischen Abwehr, sollten die Raketenprogramme nicht energisch vorangetrieben werden. Er sah deshalb „eine ungewöhnliche Dringlichkeit für die Verfügbarkeit von strategischen Raketen“. [NM94, 314] Die Überlegungen beeinflußten den Fortgang und die Richtung der Entwicklung neuer Interkontinentalraketen erheblich. Die Militärs räumten den ICBM-Programmen fortan höchste Priorität ein.

Trevor Gardner wollte die erfolgreiche Arbeit des Teapot Committee fortführen und fragte von Neumann, ob er bereit sei, auch den Vorsitz des Atlas Scientific Advisory Committee (später ICBM Scientific Advisory Committee) zu übernehmen. Atlas ist die Bezeichnung für ein Raketensystem, welches zu dieser Zeit entwickelt wurde. Von Neumann akzeptierte und half mit seiner Arbeit im Komitee, die Entwicklung des Atlas-Programms zu überwachen und zu beschleunigen. Er vertrat die Meinung, daß zeitgleich mehrere Raketenbauprojekte gestartet werden sollten, denn dies würde die Zusammenarbeit und gleichzeitig die Konkurrenz der Systeme unterstützen. Im Sommer 1955 erläuterten von Neumann und Trevor Gardner ihre Vorstellungen Präsident Eisenhower.

Die Vorschläge wurden daraufhin von den Militärs umgesetzt und es entstanden miteinander in Wettbewerb stehende ICBM-Programme, die bis zum Ende des Kalten Krieges fortgeführt wurden. Die insgesamt sechs verschiedenen Raketentypen sollten ein „Gleichgewicht des Schreckens“ [NM94, 314] im Kalten Krieg garantieren.

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Die Wasserstoffbombe

Die Situation nach Hiroshima
John von Neumann 1952

Nach dem Abwurf der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki wurde das zuvor geheime Manhattan-Projekt und die darin entwickelten nuklearen Waffen in den USA zum kontrovers diskutierten Thema. Der Krieg war vorüber und die Frage danach, wie und ob die Atomwaffenproduktion in Friedenszeiten fortgeführt werden sollte, stellte sich nun.

Selbst der wissenschaftliche Leiter von Los Alamos, Robert Oppenheimer, begann kurz nach Kriegsende zu zweifeln, ob der eingeschlagene Weg der richtige gewesen war. Er fühlte sich schuldig. 1946 sagte Oppenheimer zu Präsident Truman den schlichten, berühmt gewordenen Satz, der seine Schuldgefühle unterstrich [RR95, 676]: „Mr. President, I have blood on my hands.“ Er bedauerte seine Teilnahme am Bau der Bombe mit einem Zitat aus dem hinduistischen Werk Bhagawadgita [NM94, 215]: „Nun bin ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welt.“ Die Vermutung liegt nahe, daß von Neumann derartige moralische Bedenken fremd waren. Seine zynische Reaktion zitiert Ulam [SU76, 224]: „Johnny used to say, ‘Some people profess guilt to claim credit for the sin’.“

Zusammen mit Ernest Lawrence, Arthur Compton und Enrico Fermi schrieb Robert Oppenheimer wenige Tage nach dem Abwurf einen Brief an den Secretary of War, Henry Stimson, in welchem die Wissenschaftler die Gefahr einer Weiterentwicklung der atomaren Waffen herausstellen wollten. Um dem Brief Nachdruck zu verleihen, brachte ihn Oppenheimer selbst nach Washington [SS00, 155]: „We have grave doubts that this further development can contribute essentially or permanently to the prevention of war. We believe that the safety of this nation [...] cannot lie wholly or even primarily in its scientific or technical prowess. It can be based only on making future wars impossible.“

Präsident Harry S. Truman unterzeichnete am 1. August 1946 den Atomic Energy Act. Fast ein Jahr nach Ende des Krieges beschloß der amerikanische Kongreß hiermit, die Weiterentwicklung und Kontrolle der Atomforschung in die Hände der Zivilisten in der Atomenergiekommission (AEC) zu legen.

Dort wurde unter den Experten die Machbarkeit einer thermonuklearen Bombe diskutiert. Das General Advisory Committee (GAC), das neunköpfige wissenschaftliche Beratungskomitee der AEC, und die Mehrheit der Mitglieder votierten aufgrund der Gefährlichkeit und möglichen Zerstörungskraft der geplanten Bombe für die Aufgabe des Projektes.

Im Oktober 1949 schrieben die Wissenschaftler in ihrem Bericht: „Die tödliche Gefahr für die Menschheit, die dieser Vorschlag [die thermonukleare Waffe zu entwickeln] in sich birgt, wiegt schwerer als jeder denkbare militärische Nutzen.“ Die Mitglieder des Gremiums schrieben in ihrem Bericht [RR95, 769], daß sie zudem befürchteten, die Bombe „might become a weapon of genocide“. John von Neumann gehörte zu der Minderheit unter den Wissenschaftlern, die als Unterstützer des Wasserstoffbombenbaus hervortraten. Edward Teller schreibt [ET02, 407]: „Johnny had been a strong supporter of the hydrogen bomb ever since learning about it.“ Dieses Zitat zeigt, daß von Neumann keinerlei Zweifel an der Weiterentwicklung von Massenvernichtungswaffen hatte, obgleich er mit ihrem Zerstörungspotential vertraut war.

Die Politiker, getrieben von der Furcht, die Sowjetunion könnte ihrerseits eine solche Waffe entwickeln, entschieden sich für die weitere Forschung und unterstützten das Projekt. Präsident Truman wies mithin die Empfehlungen des GAC zurück und ordnete im März 1950 die Entwicklung der sogenannten „Super-Bombe“ an. John von Neumann befürwortete diese Entscheidung aus politischen Gründen. Sein Kollege Edward Teller erinnert sich [ET02, 254]: „Johnny and I had a common concern about the international situation. With Stalin in the Kremlin, neither of us felt comfortable with doing less than we possibly could. In particular, Johnny was as much interested in the hydrogen bomb as I was.“ Das Projekt zum Bau der Wasserstoffbombe sollte John von Neumann einige Jahre intensiv beschäftigen.

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Die Entwicklung der Wasserstoffbombe
Edward Teller

Die Idee einer thermonuklearen Waffe hatte der italienische Physiker Enrico Fermi bei einer Zusammenkunft mit Edward Teller bereits 1941 in New York geäußert. Die Theorie der „Super-Bombe“, die er wenig später gemeinsam mit dem Physiker Teller entworfen hatte, beinhaltete ein nahezu unlösbares mathematisches Problem: Es fehlte eine leistungsfähige Rechentechnik, um zu zeigen, daß sich die Bombe entzünden würde.

Von Neumann erfuhr bald von Tellers Theorie und war fasziniert. Nachdem er im Sommer 1944 durch Herman Goldstine von dem Bau des ENIAC (Electronic Numerical Integrator and Computer) an der Moore School of Electrical Engineering der Universität von Pennsylvania erfahren hatte, begriff er sofort, welche Möglichkeiten ein solcher Rechner für die komplexen Berechnungen in Los Alamos bot. Die Maschine war von der Armee für ballistische Kalkulationen in Auftrag gegeben worden. Im September desselben Jahres begann von Neumanns Zusammenarbeit mit der ENIAC-Gruppe um John Mauchly, Presper Eckert und Herman Goldstine.

Von Neumann begann am Institute for Advanced Study (IAS), einen eigenen Computer zu konzipieren. Am 30. Juni 1945 schrieb er die aus der gemeinsamen Arbeit resultierenden Ideen und Vorschläge im 101-seitigen „First Draft of a Report on the EDVAC“ nieder.

Das offiziell als geheim eingestufte Papier wurde von vielen Wissenschaftlern in der Folgezeit mit Interesse gelesen. Gemeinsam mit Herman Goldstine und Arthur Burks verfaßte er in dieser Zeit auch die dreiteilige Publikation „Planning and Coding Problems for an Electronic Computing Instrument“. Eine Welle von Nachbauten kam an den amerikanischen Universitäten in Gang. Die „Von-Neumann-Architektur“ begann ihren Siegeszug als Prototyp für den modernen Computer.

Der Mathematiker Nicholas Metropolis, der ebenfalls in Los Alamos arbeitete und später das Computerprojekt leiten sollte, schrieb [RR96, 251]: „In early 1945, as the construction of the ENIAC was nearing completion, von Neumann raised the question [...] of using it to perform the very complex calculations involved in hydrogen bomb design. The response was immediate and enthusiastic. Arrangements were made by von Neumann on the basis that the ‘Los Alamos problem’ would provide a much more severe challenge to the ENIAC on its shakedown trial.“ Metropolis wurde kurz darauf von der US-Armee eingeladen, die Fähigkeiten des dreißig Tonnen schweren Rechners zu testen.

Die ersten Kalkulationen, die der in der Presse als „Giant Brain“ bezeichnete ENIAC im Dezember 1945 ausführte, waren Berechnungen für die Super-Bombe in Los Alamos. Es war der Beginn des Zusammenwachsens der nuklearen Waffenforschung mit der Entwicklung der Computertechnik. Der Mathematiker Stanislaw Ulam, den von Neumann für Los Alamos rekrutiert hatte, sagte [WA90, 47]: „The magnitude of the problem was staggering. In addition to all the problems of fission [...] neutronics, thermodynamics, hydrodynamics, new ones appeared vitally in the thermonuclear problems: the behavior of more materials, the question of time scales and interplay of all the geometrical and physical factors [...] It was apparent that numerical work had to be undertaken on a vast scale.“

Ebenso wie den Bau der Atombombe unterstützte John von Neumann von Beginn an die Entwicklung der Wasserstoffbombe. Fragen der Moral und Verantwortung spielten offenbar eine untergeordnete Rolle in seinem strategischen Denken. Robert Oppenheimer erinnert sich an ein Gespräch mit ihm, in dem die Männer über die politischen und strategischen Konsequenzen der Entwicklung einer thermonuklearen Waffe sprachen [RR96, 389]: „I remember von Neumann saying [...] ‘I believe there is no such thing as saturation. I don’t think any weapon can be too large. I have always been a believer in this.’ He was in favor of going ahead with it.“

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John von Neumanns Beitrag
John von Neumann - stets im Anzug

Wie bei den meisten Wissenschaftlern, die am Bau der Bombe mitwirkten, war für von Neumann die wissenschaftlich-technische Herausforderung einer der Gründe für die engagierte Mitarbeit am thermonuklearen Programm. Seine Teilnahme hatte Sogwirkung auf viele junge Wissenschaftler, die zu dem Programm kamen, um mit den bekannten Physikern und Mathematikern zusammenarbeiten zu können. Herbert York, damals gerade 30-jährig, erinnert sich, daß Männer wie John von Neumann, Edward Teller oder Hans Bethe für ihn „legendäre und doch leibhaftige Helden“ [HY70, 235] gewesen seien.

Vom 18. bis 20. April 1946 kamen die wichtigsten Wissenschaftler und Berater von Los Alamos zu einer geheimen Konferenz zusammen. Neben Edward Teller und Stanislaw Ulam war unter ihnen auch John von Neumann. Sie wollten das bisherige Stadium der Entwicklung der Wasserstoffbombe auswerten und Pläne für das weitere Vorgehen entwerfen.

Die Aufzeichnungen dieser sogenannten „Super Conference“ geben den Gedankenaustausch und die Ideen für die zukünftige Entwicklung wieder [RR96, 253]: „Dr. von Neumann suggested the ignition of a ‘Super’ bomb through the employment of an implosion process.“ Er und der später als Spion entlarvte Physiker Klaus Fuchs entwickelten diese Idee nach der Konferenz weiter und meldeten am 28. Mai 1946 ein gemeinsames Patent an.

Im später herausgegebenen Report der Konferenz stellen die Teilnehmer fest [RR96, 255]: „It is likely that a super-bomb can be constructed and will work. The detailed design submitted to the conference was judged on the whole workable.“

Die Machbarkeit der Super-Bombe mußte jedoch zunächst mathematisch bewiesen werden. Bereits ab Dezember 1945 wurde der ENIAC für die komplexen mathematischen Probleme genutzt. Etwa eine halbe Million Lochkarten mit Kalkulationsdaten wurden erstellt.

Der Mathematiker Stanislaw Ulam, Freund und Kollege von John von Neumann, schrieb [RR96, 251]: „The results of the calculations had great importance in leaving open the hopes for a successful solution to the problem and the eventual construction of an H-bomb. One could hardly exaggerate the psychological importance of this work and the influence of these results [...] on people in the Los Alamos laboratory in general. This [was] partly because of the existence of computing machines which could perform much more detailed analysis and modeling of physical problems.“ Aufgrund John von Neumanns Einsatz für die verstärkte Nutzung von Computertechnik wurde die Lösung der benötigten Differentialgleichungen erheblich beschleunigt. Gleichzeitig trug sein Engagement dazu bei, daß die Wissenschaftler in einem kritischen Stadium des Projekts zur Weiterarbeit motiviert wurden.

Die Berechnungen zur Machbarkeit der thermonuklearen Bombe waren für ENIAC mit seinem Speicher von 1.000 Bit und seinen 17.468 Röhren zu kompliziert. Auch eine stark vereinfachte Kalkulation brachte zunächst keinen eindeutigen Nachweis, daß der Bau der Bombe möglich sein würde. Dennoch blieb der 1946 nach Aberdeen Proving Ground verbrachte Rechner acht Jahre im Dienst der Wissenschaftler von Los Alamos.

Es gab 1946 neben ENIAC keine weitere Maschine, auf welche die Wissenschaftler in Los Alamos zurückgreifen konnten. Dieses Fehlen eines adäquaten Computers verzögerte die Weiterentwicklung erheblich. Sowohl Edward Teller als auch John von Neumann empfahlen daraufhin, ein stärkeres Augenmerk auf die Computerentwicklung zu legen.

Der Bau eines eigenen Computers in den Versuchsanlagen war zu dieser Zeit bereits beschlossen. John von Neumann hatte begonnen, am IAS einen eigenen Rechner zu bauen. Eine exakte Kopie dieses Computers sollte für Los Alamos hergestellt werden. Da jedoch die Konstruktion beider Maschinen weit hinter dem Zeitplan verlief, wurde zunächst eine Berechnung per Hand versucht. Von Neumann schätzte den Aufwand dieser Kalkulation auf hundert Handrechner in einem Zeitraum von vier Jahren.

Die Antwort auf die Frage, ob sich die Wasserstoffbombe entzünden würde, brachte eine Berechnung am von-Neumann-Computer am IAS 1950. Ed Regis schreibt [ER89, 112]: „Von Neumann [...] had the idea that one of the calculations needed for the thermonuclear reaction should be tried on the I.A.S. computer. The computation required was monumental [...] just to find out whether the reaction would propagate as desired. So the first problem was to figure out whether the H-bomb would explode. The answer was yes.“

Nachdem die Frage der Machbarkeit beantwortet war, mußte auch der erste Test der neuen Bombe durch umfangreiche Berechnungen vorbereitet werden. Wieder half ein Rechner wesentlich bei der Lösung der mathematischen Probleme, die mit der Herstellung der ersten Wasserstoffbombe verbunden waren. Im Frühjahr 1952 wurde der Los-Alamos-Computer mit dem Namen MANIAC (Mathematical and Numeric Integrator and Calculator, von Kollegen scherzhaft Metropolis And Neumann Invent Awful Contraption genannt) fertiggestellt.

Schon im Herbst desselben Jahres bewies der „Ivy Mike Test“ auf dem Atoll Eniwetok im Pazifik die Richtigkeit der Kalkulationen und damit auch der Theorie Tellers. Thomas E. Murray, Leiter der AEC, war Augenzeuge der Detonation und beschrieb seinen Eindruck wie folgt [CS84, 107]: „Wenn du [...] mit mir draußen im Pazifik, in unserem Testgebiet bei Eniwetok, gewesen wärst, du würdest bestimmt nicht daran zweifeln, daß die Menschheit nunmehr über die Mittel verfügt, die menschliche Rasse auszulöschen.“ Die Explosionskraft der Wasserstoffbombe war weit größer als die der Atombombe. John von Neumann hatte durch seine Mitarbeit entscheidend dazu beigetragen, daß der Begriff der Massenvernichtungswaffe neu definiert werden mußte.

Das thermonukleare Monopol der Amerikaner hielt jedoch nur bis zum 8. August 1953, als in der damaligen Sowjetunion eine eigene „Super“ gezündet wurde. Vier Monate später hielt Präsident Eisenhower vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen eine vielzitierte Rede und betonte nun die für die Zukunft geplante zivile Nutzung der Atomkraft [DE53]: „The United States knows that peaceful power from atomic energy is no dream of the future. That capability, already proved, is here now - today [...] this greatest of destructive forces can be developed into a great boon for the benefit of all mankind.“

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Die politische Laufbahn John von Neumanns

Die Beratertätigkeiten für Regierung und Wirtschaft
John von Neumann mit Eisenhower bei der Verleihung der Medal of Freedom

Seit Kriegsende widmete John von Neumann seine Arbeit zunehmend der amerikanischen Verteidigungspolitik. Seine mathematischen Arbeiten und Forschungen am IAS in Princeton standen hinter seinen finanziell einträglichen Tätigkeiten für die Regierung und die Industrie zurück. Neben seiner Beratertätigkeit in Los Alamos von 1943 bis 1955 war er bereits seit 1940 Mitglied des Scientific Advisory Boards in der ballistischen Versuchsanlage in Aberdeen Proving Ground in Maryland. Dies war seine erste wichtige Regierungsanstellung.

Viele weitere Positionen kamen in den nächsten Jahren hinzu. So arbeitete er im Bureau of Ordnance der Navy sowie der Army und als Mitglied im National Defense Research Committee. Er beriet zudem die CIA ebenso wie IBM, die RAND Corporation und Standard Oil. Von 1950 bis 1955 war von Neumann Mitglied des Armed Forces Special Weapons Project in Washington. Seit 1952 war er zusätzlich als Mitglied im General Advisory Board, dem Hauptberatungsausschuß der AEC, vereidigt. Er saß ab 1953 dann dem Air Force Strategic Missiles Evaluation Committee vor. Von Neumann half außerdem bei der Entwicklung von SAGE (Semi-Automatic Ground Environment), einem Computersystem mit dem Ziel, einen sowjetischen nuklearen Angriff zu erkennen.

Seine Zielstrebigkeit, seine genialen mathematischen Fähigkeiten, seine Erfahrungen in der nuklearen Forschung, besonders aber seine gute Beziehung zu Admiral Lewis Strauss verhalfen ihm 1955 zu einer Anstellung als Commissioner der AEC, einem der höchsten Posten in den Vereinigten Staaten. John von Neumann zögerte, das Angebot seines Freundes und politischen Mentors Strauss, der ihn zunehmend bedrängte, anzunehmen. Stanislaw Ulam berichtet, die Entscheidung hätte von Neumann schlaflose Nächte bereitet. Er erinnert sich an ein Gespräch mit ihm über den zukünftigen Posten [SU76, 237]: „He had profound reservations about his acceptance because of the ramifications of the Oppenheimer Affair. He knew that the majority of scientists did not like Admiral Strauss’s actions and did not like Johnny’s pragmatic and rather pro-military views nor did they appreciate his association with the atomic energy work in general and with Los Alamos in particular.“

Entgegen den Ratschlägen einiger befreundeter Wissenschaftler und Weggefährten entschloß sich von Neumann jedoch, den 5-Jahres-Vertrag zu akzeptieren. Ulam erinnert sich [SU76, 238]: „He was flattered and proud that although foreign born he would be entrusted with a high governmental position of great potential influence in directing large areas of technology and science.“ John von Neumann wurde am 15. Mai 1955 von Präsident Eisenhower zu einem von fünf Commissionern der AEC ernannt. Da diese Tätigkeit hauptamtlich war, verlegte von Neumann seinen Wohnsitz nach Washington. Er diente einer Kommission, über die Oppenheimer sagte [RR96, 308]: „The principal job of the Commission was to provide atomic weapons and good atomic weapons and many atomic weapons.“

John von Neumann hatte den Höhepunkt seiner politischen Laufbahn erreicht. Seine Position war nicht nur einflußreich, sondern auch weitgehend unabhängig von den politischen Machthabern. [SH80, 277]: „With a fixed five-year term, a commissioner was relatively invulnerable to the president’s or Congress’s whim, and his actions were largely secret from the electorate.“ Politisch beeinflußt wurde von Neumann durch Lewis Strauss, der von 1953 bis 1958 Vorsitzender der AEC war. Wie Ulam feststellte, waren die Männer befreundet und von Neumann hatte seinerseits Einfluß auf Strauss [SU76, 238]: „As a friend of his [von Neumann] and having pressed him to accept the offer, Strauss would be obligated to support his views and ideas.“ Dies sollte Strauss nicht schwerfallen, gehörten er und von Neumann doch zum selben politischen Lager. Heims charakterisiert Strauss’ politische Einstellung „as Republican, militaristic, and militantly anticommunist.“ [SH80, 239] Die Berufung von Neumanns in die AEC war Teil eines politischen Schachzugs. Strauss hatte sich die Kommission nach seinen Plänen geformt. Davon profitierte auch von Neumann. „Strauss’s political good fortune also gave von Neumann a direct link to the center of nuclear weapons policymaking.“ [SH80, 255]

Von Neumann konnte das neue Amt nicht mehr lange ausüben. Eine Krebserkrankung zwang ihn ab Januar 1956 in den Rollstuhl und drei Monate später zu dauerhaftem Krankenhausaufenthalt im Walter Reed Hospital in Washington. Die Krankheit rührte wahrscheinlich von seiner Teilnahme an einem Atombombentest her. Poundstone bemerktec in seinem Buch über die Wissenschaftler, die Augenzeugen von atomaren Explosionen wurden [WP93, 189]: „A number of physicists associated with the bomb succumbed to cancer at relatively early ages.“ Selbst im Krankenbett war von Neumann noch ein Ratgeber für die Armee. Es kam nicht nur zu mehreren Besuchen hochrangiger Militärs, ihm wurde auch ein „Gehilfe“ zur Seite gestellt. Dieser sollte verhindern, daß geheime Informationen preisgegeben wurden. Es gab Befürchtungen, von Neumann könne durch seine Krankheit als geheim klassifiziertes Wissen offenbaren. Das Krankenhaus sollte er bis zu seinem Tod am 8. Februar 1957 nicht mehr verlassen.

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Die Auswirkungen der Nuklearforschung
John von Neumann 1954

Die unmittelbaren Wirkungen einer atomaren Explosion waren damals bereits wohlbekannt und ausführlich dokumentiert. Sowohl Hitze- als auch Neutronen- und Gammastrahlung, Druckwellen und Feuerstürme hatten die Wissenschaftler während der Tests der Waffen studiert.

Entsprechend den Maßgaben seiner Arbeit befürwortete John von Neumann atomare Tests. In der zunehmend unter Wissenschaftlern diskutierten Frage, welche Auswirkungen Radioaktivität und insbesondere radioaktiver Niederschlag habe, machte er seine Meinung deutlich. Er vertrat den Standpunkt, daß Risiken nicht vermeidbar seien. An Lewis Strauss, Commissioner der AEC, schrieb von Neumann in einem Memorandum [WP93, 180]: „The present vague fear and vague talk regarding the adverse world-wide effects of general radioactive contamination are all geared to the concept that any general damage of life must be excluded [...] Every worthwhile activity has a price, both in terms of certain damage and of potential damage - of risks - and the only relevant question is, whether the price is worth paying [...] Is the price worth paying? For the U.S. it is. For another country, with no nuclear industry and a neutralistic attitude in world politics it may not be.“

Dieses Zitat belegt eindrucksvoll, daß einzelne Menschenleben in den strategischen Überlegungen John von Neumanns eine untergeordnete Rolle spielten.

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Der Fall Oppenheimer
Robert Oppenheimer

Nach dem Abwurf der Atombombe und der beginnenden Diskussion in der weltweiten Öffentlichkeit veränderten sich auch in Princeton die Standpunkte der Akademiker zu Verantwortung und Ethik der Wissenschaft.

Robert Jungk besuchte das Institute for Advanced Study (IAS) und berichtet in seinem Buch „Die Zukunft hat schon begonnen“ von den dortigen Debatten um die Frage der Schuld der Wissenschaften. Er zitiert von Neumann mit nachdenklichen, selbstkritischen Worten [RJ57, 259]: „Wir Gelehrte waren ‘Apostel’ und sind ‘Bischöfe’ geworden, wir haben mit den Mächtigen paktiert und uns von ihnen für ihre Ziele einspannen lassen. Darunter leidet die reine Heilsbotschaft der Wissenschaft, die nichts als Wahrheit will.“

Dieses ist ein für von Neumann außergewöhnliches Zitat. In keiner der zur Verfügung stehenden Quellen ist eine solche, an Selbstzweifel grenzende Äußerung nochmals belegt. In dem Buch des umstrittenen Autors Robert Jungk ist keine Angabe über den Zeitpunkt zu finden, an dem von Neumann das Zitat geäußert haben soll. Eine Begründung für diesen Sinneswandel zu finden, ist dadurch erschwert. Möglicherweise ist das im folgenden dargestellte Verfahren gegen den Physiker und ehemaligen wissenschaftlichen Leiter von Los Alamos, Robert Oppenheimer, einer der Gründe für von Neumanns Aussage.

Seit Januar 1947 hatte Oppenheimer als Vorsitzender des General Advisory Committee der AEC gearbeitetet. Er lehnte jedoch eine erneute Berufung zur Weiterarbeit an der staatlichen Bombenforschung in Los Alamos ab und ging zurück nach Princeton, um „an der Bewahrung der guten Dinge zu arbeiten, für die der Mensch lebt.“ [RJ57, 258] Oppenheimers anhaltend ablehnender Standpunkt gegenüber dem Wasserstoffbomben-Projekt führte zu ersten Mutmaßungen bezüglich seiner Loyalität. Die Militärs und einige Wissenschaftler hielten ihn zunehmend für ein Sicherheitsrisiko und diffamierten ihn als Kommunisten.

Obwohl der als Sohn reicher, deutschstämmiger New Yorker Juden geborene Oppenheimer nie Mitglied der Kommunistischen Partei geworden war, verweigerten ihm die Militärs die Sicherheits-Unbedenklichkeitserklärung. Es kam ab dem 12. April 1954 zu einer vierwöchigen Anhörung. Dabei wurden vierzig Zeugen, meist Wissenschaftler, die mit Oppenheimer gearbeitet hatten, gehört.

Trotz seiner Vorbehalte gegenüber dem Kommunismus befürwortete John von Neumann die antikommunistische Kampagne von Senator Joseph McCarthy nicht. Obwohl Oppenheimer gegen das Wasserstoffbombenprojekt opponierte, welches von Neumann seinerseits energisch förderte, unterstützte er ihn durch seine Aussage und durch persönliche, finanzielle Hilfen. In seiner Erklärung versicherte er, daß Oppenheimer höchst zuverlässig und vertrauenswürdig sei. Stanislaw Ulam schreibt über von Neumann [SU76, 237]: „Even though [von Neumann] did not especially like Oppenheimer personally, he defended him with great objectivity and gave very correct, courageous, and intelligent testimony.“ Die Aussage zeigt, daß sich von Neumann nicht durch seine politischen und persönlichen Ansichten, die denen Oppenheimers widersprachen, beeinflussen ließ.

Edward Teller, der den Ausgang des Verfahrens maßgeblich beeinflußte, ließ sich jedoch von seiner persönlichen Abneigung gegen Oppenheimer leiten. Er antwortete auf die Frage danach, ob Oppenheimer ein Sicherheitsrisiko darstelle [PBS54]: „I thoroughly disagreed with him in numerous issues and his actions frankly appeared to me confused and complicated. To this extent I feel that I would like to see the vital interests of this country in hands which I understand better, and therefore trust more.“ Sein Ziel war es, den Widerstand gegen das Bombenprojekt, dessen Gallionsfigur Oppenheimer geworden war, zu brechen. Und er gewann: Mit einem Votum von vier zu eins wurde Oppenheimer die Unbedenklichkeitserklärung verweigert. Für den entschiedenen Gegner des Wasserstoffbombenbaus endeten damit seine Einflußmöglichkeiten auf die Atompolitik.


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Die Suche nach den Gründen

Ausgangspunkt der Überlegungen

In diesem Kapitel wird einer der möglichen Gründe für John von Neumanns politische Entwicklung und sein daraus resultierendes Verhalten dargelegt. Es wird dabei der Theorie von Steve Heims gefolgt, der davon ausgeht, daß der starke Antrieb von Neumanns, in den höchsten Kreisen der Macht politisch wirksam zu werden, in seiner ethnischen Herkunft liegt. Zu diesem Zweck wird ein kurzer Überblick über die Geschichte der Juden in Ungarn gegeben sowie ein detaillierterer Einblick in die Situation des Staates Ungarn zur Jahrhundertwende. Schließlich werden diejenigen Details in der Biographie von Neumanns aufgezeigt, die einerseits als Auswirkungen der geschichtlichen Ereignisse verstanden werden und andererseits als Ursache für spätere Ereignisse in seinem Leben gelten können.

Voraussetzung dieses Erklärungsversuches ist die Annahme, daß die Geschichte einer ethnischen Gruppierung die Handlung einer einzelnen Person maßgeblich beeinflussen kann. Die These des Unterbewußten beziehungsweise des kollektiven Unterbewußten hat spätestens seit Carl Gustav Jung eine lange Tradition in der Psychologie.

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Die Situation der Juden in Europa und Ungarn

Johns Vater Max Neumann

Die Geschichte Ungarns als Königreich beginnt etwa um das Jahr 1000. In denselben Zeitraum fällt auch die erste urkundliche Erwähnung von Juden in diesem Gebiet. Im 16. Jahrhundert zerfiel Ungarn und stand lange Zeit unter osmanischer und später österreichischer Herrschaft. Nach der Revolution im Jahre 1848/49, die Österreich mit Hilfe von Rußland niederschlug, wurde Ungarn der österreichischen Zentralverwaltung eingegliedert – der Kaiser von Österreich war fortan der König von Ungarn. Politisch war das Land zu der Zeit, als John von Neumann geboren wurde, vollständig von Wien abhängig.

Im Gegensatz zu Westeuropa konnten die Juden in Ungarn relativ friedlich leben. Die Stabilität der Beziehung zwischen Juden und Christen gründete sich nicht darauf, daß die ungarische Gesellschaft besonders tolerant gewesen wäre. Vielmehr waren die Juden nur eine Gruppe von Nicht-Christen unter vielen. „Sie waren Teil einer Gesellschaft, die mit Gruppenstatus vertraut war. Wirtschaftlich hatten die Juden keine Monopolstellungen inne“, wie Nora Berend schreibt. [NB02]

Ab dem 14. Jahrhundert wurde die Stellung der Juden gegenüber dem christlichen Umfeld durch Privilegienurkunden oder Schutzbriefe der Feudalherren bestimmt. Eine beträchtliche Änderung der Situation brachte das Toleranzpatent, das Kaiser Joseph II. 1783 erließ und welches die öffentliche Religionspraxis der nicht-katholischen Gläubigen regelte, worunter auch die Juden fielen.

Rudolf Kropf [RK03] schreibt dazu: „Das Toleranzpatent Josephs II. erreichte zwar eine gewisse bürgerliche Gleichstellung der Juden, ohne jedoch alle Beschränkungen auf einmal aufzuheben. [...] Das Patent [...] hatte für sie nur eine gewisse Emanzipation eingeleitet, rechtlich verblieb diese Minderheit jedoch noch immer im Status von Schutzjuden.“

Chaim Frank [CF98] macht in „Geschichte der Juden in Osteuropa“ auf einige Details der scheinbaren Integration aufmerksam. Viele der Rechte, die Joseph II. den Juden einräumte, standen nur denen zur Verfügung, die sich äußerlich an das gewünschte Erscheinungsbild anpaßten. Den Juden, die sich auf eine derartige Assimilation einließen, waren in der Berufswahl wenige Einschränkungen auferlegt. Lediglich Landbesitz blieb ihnen wegen des andauernden Widerstandes der Gutsbesitzer verwehrt. Durch das Toleranzpatent und die daraus resultierende Entwicklung wurde die jüdische Bevölkerung in Ungarn in zwei Gruppen, assimilierte und orthodoxe Juden, gespalten.

Der Bevölkerungsanteil der Juden war bis zum 18. Jahrhundert gering, erst danach immigrierten sie vermehrt aus den Gebieten des heutigen Rußlands, Österreichs, Deutschlands und anderen Regionen, in denen sie verfolgt wurden. Die Karriere dieser Einwanderer folgte einem sich oft wiederholenden Muster. Die erste Generation ließ sich in einer kleinen Stadt nieder und übte dort einen freien Beruf aus oder begann ein Handelsgeschäft.

Spätestens nach zwei Generationen folgte abermals ein Umzug – entweder nach Amerika oder nach Budapest. Obwohl die ungarische Bevölkerung nur zu fünf Prozent aus Juden bestand, waren daher um 1900 über die Hälfte der Budapester jüdischer Abstammung.

Der wirtschaftliche Aufschwung, den Ungarn zu dieser Zeit erlebte, machte sich hauptsächlich in Budapest bemerkbar. Norman Macrae schreibt dazu [NM94, 40f.]: „In der aufstrebenden Stadt Budapest [...] gab es recht nationalistische und manchmal neureiche Stadtväter, die das, was größtenteils das Geld ihrer eigenen Familien war, dafür ausgeben wollten, Budapest zu einer kulturell hochstehenderen und schöneren Stadt als Wien zu machen.“ Diese neureichen Stadtväter waren Teil der aufstrebenden Mittelklasse, welche durch die positive wirtschaftliche Entwicklung an Einfluß gewann.

Mit wachsenden finanziellen Mitteln mehrte sich die politische Macht der Mittelklasse. Auch die Lebenssituation eines großen Teils der Budapester Juden verbesserte sich, denn die finanziell erfolgreiche Mittelklasse in Budapest bestand zu einem großen Teil aus dieser Bevölkerungsgruppe. Das wurde durch zwei Faktoren begünstigt: Erstens wehrten sich die Juden im Gegensatz zu anderen Volksgruppen nicht gegen die vom Staat angestrebte Magyarisierung. Zweitens gab es aus anderen Gesellschaftsgruppen keinen nennenswerten Zustrom.

Neben finanzieller Sicherheit suchten die ungarischen Juden der Mittelklasse zunehmend politischen Einfluß oder zumindest politische Verbindungen. Nur wenige Juden schlossen sich den Gegnern des ungarischen Adels an und kämpften für radikale soziale, politische und ökonomische Veränderungen. Der größte Teil der Budapester Mittelschicht ließ sich jedoch in die semifeudale Struktur einbinden. Einige gingen sogar soweit, das Angebot des Königs wahrzunehmen, einen Titel zu kaufen und sich adeln zu lassen. Ein Beispiel dafür ist Max Neumann, der Vater von John von Neumann. „In 1913 Max purchased a margittai title of nobility, which the cashstrapped Emperor Franz Joseph was then retailing to the rising capitalist class.“ [WP93, 12]

Die alteingesessenen Adligen waren dagegen, daß sich „Neureiche“ in einen bisher ihnen vorbehaltenen Gesellschaftsstand einkaufen konnten. Trotzdem hatten sie kaum eine andere Wahl, da die Verarmung des Adels und der wachsende Einfluß des Mittelstands ihnen die Machtgrundlage entzog.

In der Unterdrückung der aufstrebenden sozialistischen Gruppierungen und der Arbeiterbewegung hatten Adlige und Mittelklasse ein gemeinsames Interesse. Die geadelten Juden wurden damit Teil einer politischen Struktur, in der antisemitische Vorurteile vorherrschten und die eines der Haupthindernisse für eine uneingeschränkte Entwicklung des Kapitalismus und der Demokratisierung des Landes war.

Am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts nahmen Reichtum und Einfluß der ungarischen Juden zu. Damit verknüpft machte sich eine gewisse Selbstsicherheit und sogar Optimismus breit. Dennoch waren sich viele Juden, bedingt durch die lange Geschichte ihres Volkes, darüber im klaren, daß ihr Stand in der ungarischen Gesellschaft keineswegs für alle Zeit festgeschrieben war. Diese Unsicherheit illustriert ein Sartre-Zitat [SH80, 30]: „Jews are often uneasy. An Isrealite is never sure of his position or of his possessions. He cannot even say that tomorrow he will still be in the country he inhabits today, for his situation, his power, and even his right to live may be placed in jeopardy from one moment to the next.“

Die Juden, die als Außenseiter angesehen wurden und von denen sich auch selbst viele als solche sahen und entsprechend verhielten, lebten mit dem Bewußtsein, jederzeit Opfer eines politischen Stimmungsumschwungs werden zu können. Die aufstrebende jüdische Budapester Mittelklasse war vom Habsburger Königshof in Wien abhängig. Sollte das Habsburger Königreich aufgrund des drohenden Ersten Weltkrieges zerfallen, verlören die angepaßten Juden schlagartig ihre gesicherte Stellung in der Gesellschaft. Latent vorhandene antisemitische Tendenzen drohten, sich in Pogromen zu entladen. Doch die Juden waren nicht nur wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit gefährdet, sondern auch, weil sie sich auf die Seite der Mächtigen geschlagen hatten. Sollte es wegen der Unzufriedenheit der ärmeren Schichten zu einer Revolution kommen, wären Besitz und Sicherheiten ebenfalls gefährdet.

Es wurde versucht zu zeigen, daß der Wille zu angepaßtem Verhalten und die Zusammenarbeit mit den Mächtigen zur Sicherung der eigenen Position in der Geschichte der Juden beobachtet werden kann. Auch von Neumanns übermäßiger Respekt gegenüber Politikern und offiziellen Stellen kann derart interpretiert werden. Ulam erinnert sich [SU76, 232]: „Johnny’s fascination with the military [...] was due more generally to his admiration for people who had power. [...] At any rate, it was clear that he admired people who could influence events.“

Für Steve Heims hat dieses Verhalten ebenfalls seinen Ursprung in der Geschichte der Juden in Ungarn [SH80, 38]: „The creation of nuclear weapons offered to a number of Hungarian-American scientists not only the opportunity but also (at least in the case of von Neumann) the compelling desire to serve and be part of the elite establishment, and to assume a modern American role reminiscent of the court astrologer or court engineer of a feudal military empire.“ Macrae geht auf die Gründe für John von Neumanns Vorliebe für Militärs nicht näher ein, sondern zitiert lediglich Zeitgenossen [NM94, 34]: „Er mochte das Dröhnen des Helikopters auf seinem Rasen.“

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Die Familiengeschichte der von Neumanns

John als Siebenjähriger

„No matter what disaster overtook him, the man with extraordinary talents, competence, mother wit, and charm would always survive – if not in Hungary, then somewhere else.“ So umschreibt Heims [SH80, 35] die Hauptmotivation, die jüdische Eltern, wie die von Neumanns, bei der Erziehung ihrer Kinder leitet.

Eine wissenschaftliche Laufbahn, wenn möglich außerhalb des Landes, war neben einer Karriere im Bank- oder Handelsbereich eine Möglichkeit, diese „außergewöhnlichen Talente“ zur Schaffung eines gewissen Status einzusetzen. In der wissenschaftlichen Gemeinschaft war Antisemitismus außerdem weniger verbreitet als in anderen Gesellschaftsbereichen.

Um die größtmögliche Sicherheit zu erlangen, genügte es jedoch nicht, einfach als Wissenschaftler tätig zu werden. Für Edward Teller, wie von Neumann Jude der Budapester Mittelklasse, bestand ein Zusammenhang zwischen Überleben und wissenschaftlichem Erfolg [SH80, 37]: „Edward Teller has said that had he known as a youth ‘that Hungary was foundering’ and if he wanted to survive he would ‘have to be better, much better than anyone else.’“ Vermutlich waren es diese besonderen Umstände, die eine erfolgreiche Elite von jüdischen Wissenschaftlern ungarischer Herkunft hervorbrachten. „When asked about his [von Neumanns] own opinion on what contributed to this statistically unlikely phenomenon, he would say that it was a coincidence of some cultural factors which he could not make precise: an external pressure on the whole society of this part of Central Europe, a subconscious feeling of extreme insecurity in individuals, and the necessity of producing the unusual or facing extinction.“ [SH80, 37] Das Zitat belegt, daß sich von Neumann bewußt war, in seiner persönlichen Entwicklung von gesellschaftlichen Faktoren beeinflußt worden zu sein.

Die Erziehung John von Neumanns war ganz darauf ausgerichtet, ihm eine wissenschaftliche Karriere zu ermöglichen. Seine Gymnasialzeit verbrachte er auf dem humanistischen Lutheraner-Gymnasium, „a high school with a strong academic reputation“ [WP93, 13].

Seine Lehrer erkannten schnell seine außergewöhnliche Begabung und beschlossen, ihn bevorzugt zu fördern. Sie ermöglichten ihm die Zusammenarbeit mit Mathematikern von der Universität Budapest. Aufgrund dieser Förderung veröffentlichte John von Neumann gemeinsam mit dem Mathematiker Michael Fekete schon während seiner Schulzeit eine erste wissenschaftliche Arbeit.

Auch historische und politische Fakten eignete sich von Neumann früh an. Bereits ab seiner Jugendzeit verfügte er über umfangreiches Geschichtswissen, welches er auf aktuelle Tagespolitik übertragen konnte. William Poundstone schreibt [WP93, 13]: „By the outbreak of World War I, Johnny [...] could draw analogies between current events and historical ones, and discuss both in relation to theories of military and political strategy.“ Die Fähigkeit, schon als Jugendlicher Ereignisse in ihren politischen und historischen Kontext einzuordnen, läßt vermuten, daß John von Neumann sich auch in seinem weiteren Leben über die weitreichenden Konsequenzen seiner Entscheidungen im Klaren gewesen war.

Eine prägende Erfahrung in der Jugend John von Neumanns war ein fünf Monate währendes kommunistisches Regime in Ungarn 1919. Seine Abneigung gegenüber dem Kommunismus wird von einigen Autoren [3] auf die Erfahrungen während dieser Zeit zurückgeführt. Poundstone unterstreicht in seinem Buch die Bedeutung dieser Monate für von Neumanns spätere politische Ansichten [WP93, 14]: „The Neumanns’ experience of the Kun regime deserves mention, as it may bear on von Neumann’s political conservatism and distrust of the Soviet Union.“

Im März 1919 kam es unter Führung des Anwalts und Journalisten Bela Kun zu einer Revolution, die dazu führte, daß die kommunistische Partei für kurze Zeit die Macht an sich reißen und eine Diktatur errichten konnte. Bereits im August 1919 marschierten konterrevolutionäre Truppen unter General Horthy in Budapest ein, welche die Revolution blutig niederschlugen. Während der kommunistischen Herrschaft kamen etwa 500 Menschen ums Leben. Nach dem Ende der kommunistischen Diktatur setzte die Horthy-Regierung zum Gegenschlag an. Insgesamt 5.000 Menschen wurden ermordet und über 100.000 mußten aus Ungarn fliehen. Besonders in ländlichen Gebieten kam es zu Lynchjustiz gegenüber Menschen, „whose offence was simply that of belonging to the same race of Kun.“ [SH80, 47]

Dieser kurze Abschnitt der Geschichte Ungarns veranschaulicht sehr eindrücklich dasDilemma, in dem sich die ungarischen Juden befanden. Bela Kun war ein assimilierter Jude, der als Kriegsgefangener in Rußland zu einem Gefolgsmann Lenins wurde. Er ist ein Beispiel für die Juden, die versuchten, die Gesellschaft radikal zu verändern, um so eine gesichertere Stellung zu erreichen. Erst nach Ende der Revolution wurde deutlich, welche fatalen Folgen die kurze Zeit des Kommunismus für die Juden in Ungarn haben würde.

Während der Revolution hatten vor allem Juden die Positionen des vertriebenen Adels in der Regierung eingenommen. Ebenso war ein Großteil der Politoffiziere des Kun-Regimes jüdischer Abstammung. Die Horthy-Regierung nahm dies zum Anlaß, antisemitische Maßnahmen zu ergreifen – die ersten seit über 50 Jahren. So wurde zum Beispiel der Zugang zur Universität derart reglementiert, daß er „so exakt wie möglich den relativen Bevölkerungsanteil der verschiedenen Rassen und Nationalitäten“ widerspiegeln sollte. [NM94, 77]

Dieses Gesetz sah vor, daß nur noch fünf Prozent der Studenten Juden sein sollten. Trotz solcher und anderer antisemitischer Regelungen arbeitete die Regierung weiterhin mit führenden jüdischen Bankiers und Industriellen zusammen, da sie deren Unterstützung benötigte.

Da die Sicherheit der von Neumanns durch die Revolution gefährdet war, verließen sie Ungarn. Dies gelang ihnen ohne Schwierigkeiten, denn „die Familie war reich genug, um umgehend mit dem Nachtzug an die Adria auszuweichen.“ [NM94, 77] Die folgenden Monate verbrachten die von Neumanns entweder in Abbazia an der Adria oder in Wien. Durch die finanziellen Möglichkeiten der Familie war diese Flucht nicht sehr unkomfortabel, dennoch „kann das Bewußtsein aus dem eigenen Haus vertrieben zu werden, niemals angenehm sein.“ [SH80, 47]

Für John von Neumann waren also die ersten Erfahrungen mit dem Kommunismus die einer Gewaltherrschaft. Mit der Revolution in Ungarn wurde eine der größten Ängste der angepaßten Juden zur Realität: Durch gesellschaftliche Umwälzungen liefen sie in Gefahr, ihren Besitz und ihre gesellschaftliche Position zu verlieren. Betrachtet man die Familiengeschichte von Neumanns als Teil der Historie der Juden, kann deshalb die kurze Zeit der Kun-Diktatur in Ungarn als eine der Ursachen für seine Abneigung gegen den Kommunismus und die Sowjetunion verstanden werden.

Macrae schreibt, daß von Neumann den Kommunismus auch deshalb ablehnte, weil dieser wirtschaftlich nicht funktioniert habe und führt einen weiteren Grund an, warum die Ungarn eine „gründliche Abscheu“ [NM94, 78] für Rußland empfanden. Viele ungarische Juden, die sich nach der Revolution vor der Rache Horthys fürchteten, flohen nach Rußland. Da dort aber Verbindungen mit dem Ausland nicht gern gesehen waren und man durch deren Aufrechterhaltung sein Leben riskierte, gab es bald keinen Kontakt mehr zu diesen Flüchtlingen. Bei den in Ungarn verbliebenen Angehörigen verfestigte sich dadurch eine negative Haltung gegenüber Rußland und den Kommunisten.

Von Neumann lernte Rußland einige Jahre darauf kennen. Er besuchte während seiner letzten Vortragsreihe durch Europa im September 1935 Moskau, eine Stadt, die vom Stalinismus gezeichnet war. Durch seine Kontakte mit eingeschüchterten russischen Gelehrten sah er sich in seinen Befürchtungen bezüglich des Kommunismus bestätigt. Geprägt von seinen Erlebnissen als Kind im März 1919 und trotz der in Deutschland immer stärker werdenden antisemitischen und faschistischen Tendenzen, fürchtete von Neumann in dieser Zeit den Kommunismus mehr als den Faschismus. Hier liegt vermutlich die Ursache, weshalb von Neumann die Sowjetunion lebenslang als gefährlichen Feind ansah.


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The Martians

Stanislaw Ulam

„John von Neumann became part of an exodus of Jewish intellectuals who left Hungary for Germany and then Germany for the United States.“ [WP93, 15] Zu diesem Exodus gehörten auch die Ungarn Eugene Wigner, Edward Teller und Leo Szilard. Ob ihrer überragenden geistigen Fähigkeiten und der gemeinsamen Herkunft wurden diese vier Männer von ihren amerikanischen Kollegen als „The Martians“ bezeichnet. Sie alle entstammten der jüdischen Mittelklasse und waren um die Jahrhundertwende in Budapest geboren. Sie sahen in Hitler eine tödliche Gefahr und hatten sich daher entschlossen, an der amerikanischen militärischen Forschung mitzuarbeiten. Wie die überwiegende Mehrzahl der immigrierten Wissenschaftler fügten sie sich in die militärisch-politischen Projekte ein. „Fear of what Hitler and his fellow Nazis would do should nuclear weapons become available to them originally moved scientists in America, many of them European-born, to be the first to build atom bombs“, schreibt Heims [SH80, 230].

Im Rückblick betont Wigner, er könne nicht stolz sein, an der Waffenforschung teilgenommen zu haben: „Mir war bewußt, daß mein Handeln ein unmoralisches Element enthielt. Aber was mich weit mehr beunruhigte, waren die moralischen Verfehlungen eines Mannes jenseits des Ozeans: Adolf Hitler.“ [4]

Der aus Deutschland geflohene Leo Szilard, der vor der Machtergreifung Hitlers mit John von Neumann und Erwin Schrödinger in Berlin geforscht und gelehrt hatte, erklärte 1934 die nukleare Kettenreaktion theoretisch für möglich. Seit Anfang 1942 wurde mit dem Pile Plan die atomare Forschung durch die amerikanische Regierung erheblich unterstützt und vorangetrieben. Am 2. Dezember desselben Jahres konnte die erste Kettenreaktion im Metallurgical Laboratory in Chicago eingeleitet werden, was die Richtigkeit der Idee Szilards bewies. Sowohl Wigner als auch Teller arbeiteten mit an diesem Meilenstein der nuklearen Forschungsarbeit.

1943 war von den ungarischen Wissenschaflern zunächst nur Edward Teller auf Einladung Oppenheimers in den Laboratorien von Los Alamos tätig. Wigner war zu dieser Zeit noch in Hanford, Washington, wo der erste nukleare Reaktor zur Produktion des benötigten Plutoniums erbaut wurde.

Viele der Wissenschaftler, die am Bau der Atombombe beteiligt waren, hielten ihren Einsatz für bedenklich oder gaben vor, an politischen Entscheidungen nicht partizipieren zu wollen. Abgesehen davon, daß bereits die Entscheidung, beim Bau zu helfen, als politisch gewertet werden kann, gab es unter den Wissenschaftlern auch solche, welche die Ansicht vertraten, daß eine einmal gebaute Bombe auch eingesetzt werden sollte. Zu diesen zählte unter anderen John von Neumann.

Als der Erfolg des Atombomben-Projektes 1945 in greifbare Nähe gerückt war, zeigten sich bald Meinungsverschiedenheiten unter den ungarischen Wissenschaftlern bezüglich des Einsatzes der Bombe. Trotz der gemeinsamen Herkunft und der Erfahrungen, welche die Immigranten teilten, entwickelten sie unterschiedliche Ansichten bezüglich der politischen Dimension der Atombombe.

Szilard, der am Bau der Bombe nur indirekt beteiligt war, vertrat ab Frühjahr 1945 die Ansicht, der politische Gegner Hitler sei geschlagen und eine weitere Entwicklung der atomaren Waffe daher obsolet. Er sagte später [RJ80, 178]: „In 1945, when we ceased worrying about what the Germans might do to us, we began to worry about what the government of the United States might do to other countries.“ Szilard war entschieden gegen den Einsatz der Waffe gegen japanische Städte. Er meinte, eine Demonstration ihrer Explosionskraft würde genügen.

Eugene Wigner wandte sich ebenfalls gegen einen Abwurf der Bomben über bewohntem Gebiet. In seinen Memoiren schrieb er [GP98]: „Like most of my colleagues, I did not expect the bomb to be dropped on Hiroshima and Nagasaki. With Hitler decisively defeated, I wanted to see our leaders consult an international panel before using the bomb.“

Leo Szilard schrieb am Tag nach dem erfolgreichen Test eine Petition an den neugewählten Präsidenten Truman, die von zunächst 67 Wissenschaftlern unterzeichnet wurde. Sie machte den Protest gegen den Einsatz der Waffe gegen Japan deutlich und wurde von den Militärs sogleich als „secret“ eingestuft, um eine Verbreitung einzudämmen. In einer geänderten, abgeschwächten Fassung unterschrieben weitere 85 Akademiker diese Petition, unter ihnen auch Eugene Wigner, nicht jedoch Edward Teller und John von Neumann.

Während Teller in einem privaten Brief an Szilard noch Sympathien für das Anliegen der Petition gezeigt hatte, blieb von Neumann aktiver Befürworter des Einsatzes der atomaren Waffe gegen Japan.

Die Geschichte der „Martians“ zeigt deutlich, daß die historischen Gegebenheiten den Lebenslauf einzelner Personen maßgeblich beeinflussen können, diesen jedoch nicht unbedingt vorherbestimmen. Insbesondere kann festgestellt werden, daß die oben genannten Einflüsse auch bei der moralischen, ethischen und politischen Meinungsbildung eine Rolle spielen, jedoch nicht zwangsläufig zu ähnlichen Ansichten führen müssen.


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Quis custodit custodes?

Bei den Erkenntnissen und Einschätzungen über John von Neumann und sein Wirken als politische Figur wurde als Quelle hauptsächlich biographisches Material benutzt. Diese standen in drei unterschiedlichen Formen zur Verfügung: Biographien, Nachrufe und Zeitungsartikel. In diesem Abschnitt wird untersucht, wie zuverlässig diese Quellen sind und welche Grenzen bei der Arbeit mit solchen Materialien beachtet werden müssen.

Wilhelm Füßl hat in seinem Artikel „Zwischen Mythologisierung und Dekonstruktion: Die Funktion des Biographen“ [WF98] versucht aufzuzeigen, wie zuverlässig derartige Quellen sein können und ist dabei insbesondere darauf eingegangen, inwieweit der Biograph durch seine eigene Person die Biographie beeinflußt. Er bezieht sich dabei hauptsächlich auf Biographien deutscher Techniker aus dem Zweiten Weltkrieg. Viele der angesprochenen Einflüsse sind auf die Biographien und Biographen John von Neumanns übertragbar. Im folgenden werden die wichtigsten Stellen des Artikels zitiert, kurz der ursprünglichen Kontext erläutert und dann auf die Quellen dieser Arbeit angewendet. Dabei werden durchgehend die Biographien von Heims [SH80] und Macrae [NM94] bearbeitet und andere Quellen nur in Einzelpunkten betrachtet.


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Objektivität

Gleich der erste Satz des Artikels beleuchtet das größte Problem beim Arbeiten mit Biographien [WF98, 59]: „Die Diskussion um moderne Biographien in der Geschichtswissenschaft wird hinsichtlich ihrer ‘Objektivität’ in der Regel auf den Komplex ‘Quellen’ verkürzt.“

Abgesehen davon, daß strittig ist, inwieweit einzelne Quellen als objektiv gelten können, ist immer auch die Objektivität des Biographen zu hinterfragen, der unter dem ihm zur Verfügung stehenden Material eine Auswahl trifft. Besonders eindrucksvoll kann dies an einem bekannten Zitat John von Neumanns belegt werden [SH80, 247]: „If you say why not bomb them tomorrow, I say why not today? If you say today at 5 o’clock, I say why not one o’clock?“

Dieses Zitat wird häufig benutzt, um zu belegen, daß John von Neumann einen Präventivschlag befürwortet hat. In den Biographien Macraes und Heims’ sowie in weiteren zur Verfügung stehenden Quellen gibt es keinen weiteren derartig eindeutigen Ausspruch von John von Neumann, der diese Annahme beweisen würde. Lediglich aufgrund der Beschreibung seiner Person von Zeitzeugen [5] kann man vermuten, daß er einen atomaren Erstschlag unterstützt hätte. Steve Heims bemerkt in der Fußnote zu dem obengenannten Zitat [SH80, 484]: „A number of von Neumann’s friends and associates have independently told me of von Neumann’s strong advocacy of a preventive war at that time.“

Das Zitat stammt aus dem Magazin „Life“ [CB57, 96], und über seine Authentizität ließe sich trefflich streiten. Wenn von Neumann dieser Ansicht war, wieso ist sie in dieser Deutlichkeit nicht in anderen Quellen aufgezeichnet?

Bezeichnenderweise ist nicht nur die bedenkenlose Verwendung dieses Zitats weit verbreitet, auch dessen Unterschlagung kann beobachtet werden. In seinem Buch vertritt Macrae die Ansicht, daß von Neumann zwar das Wettrüsten befürwortet, aber einen Erstschlag nicht unterstützt hätte. Zumindest, so Macrae, könne er [NM94, 34] „in [von Neumanns] Papieren nichts finden, was diesen Standpunkt befürwortet.“ Interessant ist diese Aussage, da Macrae im selben Kapitel andere Stellen des Artikels aus dem Magazin „Life“ zitiert. Er hat dem Nachruf der Zeitschrift jedoch nur Anekdoten zu von Neumanns Cocktailparties sowie seinen Kopfrechenkünsten entnommen. Hinsichtlich Macraes Objektivität hinterläßt diese Auslassung den Verdacht, der Autor wolle das öffentliche Bild von Neumanns verzerren. Macrae zeichnet in seinem Buch durchgängig das Bild des liebenswerten und genialen Wissenschaftlers „Johnny“. John von Neumann als Befürworter eines atomaren Präventivschlags darzustellen, würde dieses Bild zerstören, da ein atomarer Erstschlag seit dem Ende des Kalten Krieges allgemein verurteilt wird.

Betrachtet man das Zitat im Kontext des Artikels in dem Magazin „Life“, fällt auf, daß von Neumann nur indirekt zitiert wird [CB57, 96]: „He held that world government was inevitable - and the sooner the better. But he also believed, it could never be established while Soviet Communism dominated half of the globe. A famous von Neumann observation at that time: ‘With the Russians it is not a question of whether but when.’ A hard boiled strategist, he was one of the few scientists to advocate preventive war, and in 1950 he was remarking, ‘If you say why not bomb them tomorrow, I say why not today? If you say today at 5 o’clock, I say why not 1 o’clock?’“ In dem Magazin fehlt eine Angabe der Quelle des Zitats und dessen Kontext. Auf diesen Umstand weist jedoch keiner der Biographen hin.

Steve Heims' Fußnote läßt vermuten, daß er sich dieser Problematik bewußt war, unterläßt es jedoch, die darin erwähnten Zeitzeugen näher zu benennen.

In den hier verwendeten Biographien ist auffallend, daß die Autoren mitunter auf eine Quellenangabe verzichten. So behauptet William Poundstone, daß John von Neumann einen Erstschlag befürwortet hätte [WP93, 4]: „In fact, the preventive war movement found support among many of indeniable intelligence, including [...] John von Neumann.“ Als Beleg dafür liefert er ebenfalls das Zitat aus dem Magazin „Life“. [6]

Kann also durch das eine Zitat bewiesen werden, daß von Neumann einen Erstschlag generell befürwortet hat? Oder ist es nur eine einmalige Äußerung, der übermäßiges Gewicht verliehen wird? Die Antworten auf diese Fragen können mithilfe der vorliegenden Quellen nicht gegeben werden. Daß keiner der Autoren diese Frage gestellt hat, belegt, wie schwierig und komplex die Arbeit mit biographischem und ‘objektivem’ Material ist.


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Mythologisierung

Füßl schreibt weiter [WF98, 60]: „Der Biograph wird so Teil eines Mythologisierungsprozesses von Persönlichkeiten der Geschichte.“

Schon zu Lebzeiten ist John von Neumanns Genie von den Autoren und den von ihnen befragten Zeitgenossen bestaunt und durchweg als positiv dargestellt worden, während seine Schwächen als liebenswerte Marotten entschuldigt wurden. In Ed Regis Buch heißt es [ER89, 100]: „Von Neumann [...] helped invent the implosion mechanism for the first atom bomb and then [...] went on to invent the H-bomb. It wasn’t quite right - indeed it was horrible, truly dismaying! - to see [him] building computers and making bombs as happily as he invented mathematical disciplines. [...] But who could hold it against Johnny? Nobody.“ Auch Stanislaw Ulam drückt seine Bewunderung aus [SU76, 4]: „I thought of [...] how this man [von Neumann], and some others I knew, working in the purely abstract realm of mathematics and theoretical physics had changed aspects of the world as we now know it.“

Eine Fortsetzung dieser Einstellung findet sich in den meisten zeitgenössischen Artikeln [SG56, 80]: „I went down to Washington recently to ask her [von Neumanns zweite Ehefrau Klara] what is was like to be married to Dr. John von Neumann, chemist, mathematician, physicist, member of the Atomic Energy Commission, and possibly the world’s greatest living intellect.“ Auch in den Nachrufen wird John von Neumann fast ausschließlich als hervorragender Wissenschaftler und als Genie dargestellt. [7]

Die Forderung nach Objektivität ist unter Wissenschaftlern umstritten und gerade bei der Schilderung einer Persönlichkeit durch eine andere Person schwer zu realisieren. Füßl fordert dennoch eine „Objektivität des Biographen“ und definiert diese als „die reflektierte Darstellung einer Person oder einer als homogen erkannten Gruppe, wobei für die Analyse eine Quellenbasis herangezogen wird, die nicht durch bewußte Selbstbeschränkung des Biographen geschmälert worden ist. Das entscheidende Kriterium ist also die Reflexion, wobei darunter Selbstreflexion über die eigenen Erkenntnisinteressen und gesamtgesellschaftlichen Einflüsse, aber auch die methodisch abgesicherte Auseinandersetzung mit den Quellen gemeint ist; schließlich beinhaltet eine so verstandene Objektivität die Distanzierung von einer rein individuell ‘verstehenden’ Darstellungsform.“ [WF98, 60]

Eine Biographie ohne Selbstbeschränkung stand uns nicht zur Verfügung. Die Motivationen der Verfasser sind unterschiedlich. Einerseits kommt es zu vermutlich politisch motivierten Auslassungen in [NM94], zum anderen wird in den Biographien ein bestimmter Schwerpunkt im Leben John von Neumanns betrachtet (in [WA90]: Computer, in [SH80]: Atombombe).

Vor allem bei Macrae stellt sich die Frage nach dessen Erkenntnisinteresse und gesamtgesellschaftlichen Einflüssen. Sein Buch entstand als Auftragsarbeit für die Alfred P. Sloan Foundation, die mit 100.000 Dollar dotiert war. [8] Interessant ist, daß zuerst Stephen White und Stanislaw Ulam mit der Arbeit beauftragt wurden. Über die Gründe des Autorenwechsels können wir hier nur spekulieren. Auffällig ist jedoch, wie stark sich Macrae mit den politischen Entscheidungen von Neumanns identifiziert. Dieser Umstand wirft die Frage auf, inwieweit die Auftraggeber mit der Wahl des Autors den Inhalt der Biographie beeinflußt haben, um so das öffentliche Bild von Neumanns zu mythologisieren. Dies wäre eine interessante Fragestellung, auf die im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht näher eingegangen wird.

Die Mythologisierung oder, wie Füßl sie nennt, „Heroisierung“ beginnt „bereits zu Lebzeiten der Person, häufig zu runden Geburtstagen, aber auch in Verbindung mit dem Erscheinen selbstverfaßter Autobiographien oder Memoiren.“ [WF98, 61] Ein Beispiel: Im Artikel „John von Neumann, A Biographical Memoir“ von Salomon Bochner [SB58] wird von Neumann als Genie und umgänglicher Zeitgenosse vorgestellt. Seine umstrittenen Tätigkeiten in der Politik werden nur am Rande erwähnt, welches zu dem von Füßl zitierten „de mortuis nihil nisi bene“ [WF98, 62] (etwa: Über die Toten nur Gutes) paßt.


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Entmythologisierung

„Wichtig für die Entmythologisierung dürften neben politischen und gesellschaftshistorischen auch sozialpsychologische Ansätze sein.“ [WF98, 62] Diese sind in den uns vorliegenden Werken nur spärlich zu finden. Lediglich Steve Heims setzt die Kindheit und die Geschichte seiner Vorfahren und die des jüdischen Volkes in direkte Beziehung zum Wirken von Neumanns. Norman Macrae spielt die Bedeutung des Judentums für von Neumanns Entwicklung herunter [NM94, 46]: „Doch es wäre gefährlich, Johnnys jüdische Abstammung überzubetonen.“ Einzig von Neumanns „sprichwörtlicher Sinn für Humor“ [NM94, 46] soll nach Macrae seine Wurzeln in der jüdischen Familiengeschichte haben. Erstaunlich ist hier, daß Macrae sich die Mühe macht, die politische und gesellschaftliche Situation der Juden im Ungarn des beginnenden 20. Jahrhunderts genau zu schildern, ohne jedoch die sich daraus ergebenden Konsequenzen im weiteren Lebenslauf von Neumanns zu beachten.

„Der Grad der Mythologisierung steigt, je spärlicher die Quellenlage ist.“ [WF98, 64] Zwar ist das über von Neumann verfügbare Material sehr umfangreich, besteht jedoch zu einem großen Teil aus Anekdoten, die oft in unterschiedlichen Versionen im Umlauf sind. Deren Authentizität kann zum Teil nicht endgültig geklärt werden, dennoch sind sie in allen Biographien wiederzufinden. Die „Anekdotenhaftigkeit“ [9] führt dazu, daß die Auswirkungen der Arbeiten John von Neumanns gleichsam bagatellisiert werden. Das widerspricht der von einer Biographie geforderten und oben genauer definierten Objektivität. Macrae benutzt solche Anekdoten außerdem, um ein positives Bild von „Johnny“ [10] zu zeichnen.

Ein Beispiel dafür ist die Geschichte des schnelleren Rechners: Ein Mitarbeiter eines Forschungsinstituts soll John von Neumann ein Problem vorgelegt haben, für das diesem Mitarbeiter die Lösung schon bekannt war. Immer dann, wenn von Neumann einen Schritt berechnete, soll der Mitarbeiter das Ergebnis gesagt haben, ganz so, als wäre er beim rechnen schneller als von Neumann. Macrae schreibt dazu [NM94, 19]: „Später erzählte man [von Neumann], daß der Mann mehrere Stunden und eine Rechenmaschine benötigt hatte, um ein Problem zu lösen, das ihn fünf Minuten gekostet hatte. Sonst, so meinten seine Freunde, hätte Johnny vielleicht wochenlang geschmollt (aber dies ist wahrscheinlich üble Nachrede, denn er war nicht so kleinlich).“ Im Magazin „Life“ heißt es jedoch [CB57, 94]: „‘Johnny sulked for weeks’ recalls a friend, ‘before he found out it was all a joke.’“ Diese Vorgehensweise Macraes belegt einmal mehr das Interesse des Autors, das Bild von Neumanns nach seinen Vorstellungen zu beeinflussen.

In seinem Artikel wirft Füßl der deutschen Biographieschreibung vor, die Heeresversuchsanstalt in Peenemünde, auf der Raketenversuche durchgeführt wurden, zur Wiege der Raumfahrt zu stilisieren. Der Vorwurf bezieht sich darauf, daß die dortigen Erkenntnisse direkt zur Tötung von Menschen durch die Raketen führten und daß bei ihrer Herstellung tausende Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene ums Leben kamen. Der Verdacht liegt nahe, daß die Forschungsarbeit in Los Alamos ähnlich verklärt dargestellt wird, läßt sich aber nicht bestätigen. In den Biographien von Macrae und Heims wird das Laboratorium als Geburtsstätte der Atombombe dargestellt und von einer Mystifizierung abgesehen. Allerdings werden die politischen und moralischen Konsequenzen der Entwicklung und Verwendung der Atombombe von den verschiedenen Biographen höchst unterschiedlich betrachtet.

Immer wieder ist in der Geschichtsschreibung von Technikentwicklungen eine Reduzierung auf einzelne Persönlichkeiten zu beobachten. Als Beispiel führt Füßl in seinem Artikel Wernher von Braun im Zusammenhang mit der Raketenentwicklung an. Bei der Beschreibung der Geschehnisse in Los Alamos kommt es zu ähnlichen Reduzierungen. Im Nachruf des Magazins „Life“ [CB57, 89] heißt es: „[The scientists] knew that during World War II at Los Alamos von Neumann’s development of the idea of implosion speeded up the making of the atomic bomb by at least a full year.“ Von Neumann wird hier zwar nicht die alleinige Entwicklung der Implosionslinse der Plutoniumbombe zugesprochen, aber daß auch James Tuck, Geoffrey Taylor, Edward Teller, George Kistiakowsky und Hans Bethe an dem Prozeß beteiligt waren, wird hier nicht erwähnt. Hier muß die Art der Quelle berücksichtigt werden, da in einem Magazin derlei Auslassungen gewollt und der leichten Lesbarkeit halber notwendig sein können. Wie das oben gezeigte Beispiel des Präventivschlag-Zitates jedoch zeigt, werden dennoch Fakten aus derlei Publikationen ungeprüft in wissenschaftliche Literatur übernommen.

„Die Geschichtswissenschaft ist sich inzwischen darin einig, daß Biographik nicht das isolierte Individuum untersucht, sondern den Menschen in seiner Beziehung zur Umwelt und in seiner Prägung durch Familie, Verwandtschaft, peer groups, Schichten etc. darstellen muß.“ [WF98, 65]

Diese Aufgabe erfüllen die vorliegenden Biographien nur teilweise. Die Familiengeschichte seiner Eltern, die verschiedenen Orte, an denen von Neumann wirkte, sowie die Menschen, mit denen er gearbeitet hat, werden zwar dargestellt. Wie sie sich jedoch auf die Persönlichkeit von Neumanns auswirkten, wird nicht untersucht. Zur Verteidigung der Biographen sei hier bemerkt, daß Aspray und Heims in ihren Büchern den Lebenslauf unter einem Schwerpunkt (Computer bzw. Atombombe) betrachtet haben. Die chronologische Vollständigkeit und die ersten Ansätze von Erklärungsversuchen in Heims’ Buch lassen die Frage aufkommen, warum dieser letzte Schritt nicht noch gegangen wurde.

„Bei der Auswertung einer Vielzahl von Technikerbiographien konnte ich sehr häufig feststellen, daß der Biograph dem gleichen Fachgebiet angehört wie sein Untersuchungsobjekt.“ [WF98, 67] Diese Beobachtung gilt für die hier betrachteten Biographien nur zum Teil. Da von Neumann in vielen wissenschaftlichen Bereichen tätig war, kann man in diesem Zusammenhang kaum von seinem Fachbereich sprechen. Ein anderer Effekt ist jedoch in von Wissenschaftlern verfaßten Artikeln oder Büchern über von Neumann zu beobachten. Die Leistungen, die von Neumann im jeweiligen Fachbereich vollbracht hat, werden ausführlich dargestellt, während die anderen Gebiete nur am Rande erwähnt werden.

Ein Beispiel hierfür ist der Nachruf, den der Mathematiker Salomon Bochner verfaßt hat. Darin berichtet Bochner fast ausschließlich über John von Neumanns Leben und Arbeit als Mathematiker. Seine Mitarbeit an nuklearen Waffenprojekten und seine Positionen beim Militär werden, obwohl sie einen großen Teil seines späteren Lebens einnahmen, nur am Rande erwähnt. So heißt es etwa, John von Neumann sei ein „scientific executive on a national level“ [SB58, 438] gewesen. Eine genaue Aufzählung oder nähere Erläuterung seiner staatlichen, militärischen und industriellen Positionen fehlt jedoch. Bochner entschuldigt dies, indem er erklärt, daß ein großer Teil der Arbeit von Neumanns klassifiziert sei.

Der Physiker Steve Heims beschreibt in seiner Biographie die Person von Neumann aus vielen Blickwinkeln. Er erläutert die wesentlichen wissenschaftlichen Arbeiten und bezieht das politische Wirken explizit ein.

Norman Macrae ist als Gegenbeispiel zu sehen, da er kein Wissenschaftler, sondern Journalist ist. Dieses ist seinem Buch deutlich anzumerken. So werden zum Beispiel die verwendeten Quellen nicht im Zusammenhang mit den angegebenen Zitaten genannt. Macrae ist sich dieses Umstandes bewußt und betont in seiner Einleitung, daß dies durchaus beabsichtigt sei. Seine Schreibweise erinnert zuweilen an einen Feuilleton-Artikel. So teilt der Autor seine Meinung zu politischen und gesellschaftlichen Themen explizit mit oder bringt diese indirekt zum Ausdruck. Beispielsweise bezeichnet er einen Großteil der Wissenschaftler in Los Alamos als „linke Träumer“ [11] .

Die Beobachtung Füßls gilt bei den von uns verwendeten Biographien nicht uneingeschränkt. Es läßt sich feststellen, daß die Mehrzahl der Autoren durch ihr Fachgebiet einer Selbstbeschränkung unterliegt.

Der Ausgangspunkt dieses Erklärungsversuches ist gleichzeitig der Schwachpunkt. Die Annahme, daß die Persönlichkeitsbildung einer einzelnen Person durch seine ethnische Herkunft beeinflußt werde, kann nicht als bewiesene Theorie gelten. Auch in der Biographieschreibung ist ein solcher Erklärungsversuch umstritten. Füßl schreibt [WF98, 66]: „Pierre Bourdieu hat seine Kritik am Autor von Biographien dahingehend formuliert, daß dieser retrospektiv Logiken eines Lebens entwickele, die auf eine künstliche Sinnschaffung hinausliefen und der historischen Wirklichkeit nicht gerecht würden.“


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Zusammenfassung

John von Neumann - ein politischer Akademiker

Als herausragender Akademiker seiner Zeit brachte John von Neumann durch seine Erkenntnisse und Ideen die Entwicklung vieler Fachgebiete voran. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit hatte er bewußt am politischen Geschehen in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts teilgenommen. Mit dieser Arbeit wurde versucht, die politische Einflußnahme John von Neumanns zu analysieren.

Ausgehend von einem kurzen Abriß seiner frühen akademischen Karriere wurde über erste Kontakte mit dem US-amerikanischen Militär und den Beginn seiner Beratungstätigkeit in Los Alamos berichtet. Nach der Darstellung des historischen Hintergrundes zur Entstehung der Atombombe wurde John von Neumanns Beitrag zum Manhattan-Projekt sowie sein Wirken im Target Committee erläutert.

Es folgte eine Darstellung der politischen Standpunkte zu Beginn des Kalten Krieges in den USA. Ausgehend von dieser Analyse wurden von Neumanns Haltung und Aktivitäten zur Weiterführung der atomaren Forschung erläutert, die zum Bau der Wasserstoffbombe führte.

Im folgenden Abschnitt wurde John von Neumanns politische Karriere dargestellt. Am Beispiel der Oppenheimer-Affäre und von Neumanns Haltung zur Gefährlichkeit von Strahlungseffekten wurden die von ihm eingenommenen politischen und moralischen Standpunkte aufgezeigt.

Im zweiten Teil der Arbeit wurde analysiert, welche möglichen Gründe es für den politischen Lebensweg John von Neumanns gibt. Dabei wurde der These seines Biographen Steve Heims gefolgt, wonach von Neumanns enge Zusammenarbeit mit den politischen und militärischen Machthabern in seiner ethnischen Zugehörigkeit begründet liegt. Dazu wurde die Geschichte des jüdischen Volkes in Ungarn dargestellt und versucht zu zeigen, daß John von Neumanns Leben eine konsequente Fortsetzung einer historischen Entwicklung ist. Daß Geschichte nur gewisse Tendenzen im Leben einer Person vorgeben kann, diese jedoch nicht vollständig vorherbestimmt, wurde durch die Geschichte der „Martians“ belegt. Eine Beschränkung erfolgte bei der Erklärung der möglichen Auswirkungen durch die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppierung. Wesentlichen Einfluß auf die frühe Persönlichkeitsbildung von Neumanns hatte vermutlich ebenfalls die Familie und das nähere soziale Umfeld, in dem er aufwuchs. Dieser Aspekt wurde jedoch nicht betrachtet. [12]

Als Grundlage für diese Arbeit wurde biographisches Material verwendet. Im letzten Kapitel wurden die Schwierigkeiten im Umgang mit diesen Quellen erläutert. Anhand eines Artikels des Historikers Wilhelm Füßl wurde die Probleme hinsichtlich der Objektivität der Autoren und der Mythologisierung des Porträtierten gezeigt. Im folgenden wurde die Quellen unter diesen Gesichtspunkten betrachtet.

John von Neumanns wissenschaftliche Leistungen werden auch in Zukunft gewürdigt werden. Dabei sollten die Auswirkungen seiner politischen Aktivitäten nicht vergessen werden. Er war zum Gehilfen der Mächtigen geworden und hatte sich für ihre Ziele verpflichten lassen. [13] John von Neumanns Leben kann als Beispiel dafür gelten, daß Wissenschaftler sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht entziehen können.


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[NM94] Norman Macrae: John von Neumann. Mathematik und Computerforschung - Facetten eines Genies, Birkhäuser Verlag, Basel, 1994.

[SH80] Steve J. Heims: John von Neumann and Norbert Wiener, MIT Press, Cambridge, MA, 1980.

[SU76] Stanislaw M. Ulam: Adventures of a mathematician, Charles Scribner's Sons, New York, 1976.

[AH76] Armin Hermann: Werner Heisenberg in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Rowohlt, Reinbek, 1976.

[DS67] Der Spiegel: Gott sei Dank, wir konnten sie nicht bauen, Jg. 1967, Nr. 28.

[ET02] Edward Teller: Memoirs. A Twentieth-Century Journey in Science and Politics, Perseus Publishing, Cambridge, MA, 2002.

[RO43] Robert Oppenheimer, J. Robert Oppenheimer's memo for General Leslie R. Groves, April 30, 1943, Nuclear Age Peace Foundation. http://www.nuclearfiles.org/redocuments/1943/430430-opp-groves.html, 26.04.2004.

[LG45] Leslie R. Groves, Memorandum for the Secretary of War, 18 July 1945, Nuclear Age Peace Foundation. http://www.nuclearfiles.org/redocuments/1945/450718-groves-trinity.html, 27.05.2004.

[DI69] David Irving: Der Traum von der deutschen Atombombe, Bertelsmann, Gütersloh, 1969.

[JS94] Jeremy J. Stone: Conscience, Arrogation and the Atomic Scientists. In: Journal of the Federation of American Scientists, Volume 47, No. 4 Juli/August 1994. http://www.fas.org/faspir/pir0894.html, 7.01.2004.

[BE86] Brian Easlea: Väter der Vernichtung. Männlichkeit, Naturwissenschaftler und der nukleare Rüstungswettlauf, Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbek, 1986.

[RJ80] Robert Jungk: Brighter Than A Thousand Suns, Penguin Books, London, 1980.

[RR96] Richard Rhodes: Dark sun. The making of the hydrogen bomb, Touchstone, New York, 1996.

[FD81] Freeman J. Dyson: History without Hindsight. In: Technology Review, Februar/März 1981.

[RR95] Richard Rhodes: The making of the atomic bomb, Touchstone, New York, 1995.

[SS00] Silvan S. Schweber: In the Shadow of the Bomb. Oppenheimer, Bethe, and the Moral Responsibility of the Scientist, Princeton University Press, Princeton, 2000.

[WA90] William Aspray: John von Neumann and the Origin of Modern Computing, MIT Press, Cambridge, MA, 1990.

[HY70] Herbert F. York: Race to Oblivion. A Participant's View of the Arms Race, Simon & Schuster, New York, 1970.

[ER89] Ed Regis: Who Got Einstein's Office? Eccentricity and Genius at the Institute for Advanced Study, Penguin Books, Harmondsworth, 1989.

[CS84] Carl Sagan: Atomkrieg und Klimakatastrophe, Droemer Knaur, München, 1984.

[DE53] Dwight D. Eisenhower, Address to the UN General Assembly, 8 December 1953, Nuclear Age Peace Foundation. http://www.nuclearfiles.org/redocuments/1953/531208-ike-afp.html, 27.05.2004.

[WP93] William Poundstone: Prisoner's Dilemma, Anchor Books, New York, 1993.

[RJ57] Robert Jungk: Die Zukunft hat schon begonnen. Amerikas Allmacht und Ohnmacht, Alfred Scherz Verlag, Bern, 1957.

[PBS54] Edward Teller's Testimony in the Oppenheimer Hearings, April 28, 1954. Aus: In the Matter of J. Robert Oppenheimer, Transcript of Hearing Before Personnel Security Board, Washington, DC, United States Government Printing Office Washington, 1954. http://www.pbs.org/wgbh/amex/bomb/filmmore/reference/primary/tellertestimony.html, 7.02.2004.

[NB02] Nora Berend: Integration und Exklusion: Die Juden im mittelalterlichen Ungarn, 2002. http://www.uni-trier.de/uni/fb3/geschichte/cluse/eu/dt_conf_berend.html, 25.03.2004.

[RK03] Rudolf Kropf: Beiträge zur Sozialgeschichte des südburgenländisch-westungarischen Judentums vom Toleranzpatent Josephs II. bis zur Revolution von 1848, 2003. http://ojm.at/museum/kropf.htm, 25.03.2004.

[CF98] Chaim Frank: Geschichte der Juden in Osteuropa, 1998. http://www.hagalil.com/galluth/ungarn0.htm, 25.03.2004.

[EW79] Eugene P. Wigner: Symmetries and Reflections. Scientific Essays, Connecticut, 1979.

[GP98] Gabor Pallo: The Martians’ Work for War and Peace, 1998. http://www.phil-inst.hu/~pallo/pg02_p.htm, 7.01.2004.

[WF98] Wilhelm Füßl: Zwischen Mythologisierung und Dekonstruktion: Die Funktion des Biographen. In: BIOS, Sonderheft Biographie und Technikgeschichte, Jg. 11, 1998, Verlag Leske + Budrich, S. 59-69.

[CB57] Clay Blair Jr.: Passing of a Great Mind. In: Life, Vol. 42, Nr. 8, 25.02.1957, Time Inc., S. 89-104.

[SG56] Samuel Grafton: Married to a Man Who Believes the Mind Can Move the World. In: Good Housekeeping, September 1956, S. 80-81, 282-292.

[SB58] Salomon Bochner: John von Neumann 1903 - 1957. A Biographical Memoir. In: AMS, Vol. 64, No. 3, 1958.

[JK90] Julia King: Profession: Sloan Foundation Presents Publishing Options To Scientists, 3. September 1990. http://www.the-scientist.com/yr1990/sept/prof2_900903.html, 27. Mai 2004.

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